Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der 18 Schluessel

Der 18 Schluessel

Titel: Der 18 Schluessel
Autoren: Birgit Fiolka
Vom Netzwerk:
vertrauliche Du, um ihn zu beruhigen und näherte sich ihm langsam. Lektion Psychologie Grundkurs: Eine Vertrauensbasis zwischen Arzt und Patient aufbauen. Er wandte ihr den Kopf zu und betrachtete sie ausgiebig. Eliana hielt dies für eine gute Gelegenheit, ihn wieder in die Decken zu wickeln, was er sich gefallen ließ. Anscheinend vertraute er ihr tatsächlich. Gabriel hatte sich ebenfalls beruhigt und beobachtete die Szene interessiert. „Die Schnitte auf deinem Rücken müssen versorgt werden“, redete sie leise auf ihn ein, wie sie es bei einem Kind getan hätte. Der Fremde verwirrte sie, ohne dass Eliana wusste weshalb – war da ein Hauch Violett in dem fast dunklen Blau seiner Iris? Irgendwie wirken diese Augen so unvoreingenommen wie die eines Säuglings.Ihre Gedankengänge endeten abrupt, als sie seinen Rücken genauer ansehen wollte. Das war unmöglich! Und doch ... Vorsichtig betasteten ihre Finger die verkrusteten Wundränder, und er ließ sich auch dies gefallen. Die Wunden sahen aus, als wären sie bereits mehrere Wochen alt – und hatten aufgehört zu bluten. So schnell konnten sie unmöglich verheilt sein!
    Eliana zuckte zurück und gab einen erschrockenen Laut von sich. Als ob der Fremde ihre Überraschung bemerkte, umfasste er ihr Handgelenk und zog sie nah zu sich hin. „Natura sanat.“ Die Natur heilt. Warum sprach er Latein? Er hielt noch immer ihr Handgelenk fest, doch seine Blicke schienen nun im Gegenzug sie beruhigen zu wollen.
    „Was bedeutet das?“, flüsterte sie, während Gabriel auf das Bett sprang und auf den Fremden zustakste. Der legte mit einer seltsamen Geste seine Hand an Elianas Wange und sah sie aus seinem makellosen Gesicht an. Alle Kälte war verschwunden. Seine Hand war warm – seine Haut durchblutet, wo sie bis vor zwei Minuten noch durchgefroren gewesen war!
    „Me auxiliatus est ... gratias ago“, flüsterte er. Dann rollte er sich einfach auf dem Bett zusammen und schlief ein. Gabriel machte es sich neben ihm bequem und begann wohlig zu schurren. Das war seltsam, aber angesichts der Tatsache, dass die ganze Situation irreal war ... Katzen hatten ihre eigene Wahrnehmung der Dinge. „Dann eine gute Nacht.“ Leise zog sie die Tür hinter sich zu und ließ die beiden allein.
    Im Wohnzimmer setzte sich Eliana auf ihre Couch und spürte erstmals die eigene Erschöpfung. Was für ein Tag! Während ihre Kollegen ständig irgendetwas erlebten, hatte Eliana sich an ihr geordnetes und Sicherheit bietendes Leben gewöhnt. Unvorhergesehene Dinge trieben sie ebenso in die Flucht, wie Menschen, die ständig das Risiko suchten ... Abgründe, Psychosen, Schizophrenie ... davon hatte sie für ihr ganzes Leben genug! Sie hätte ein Entspannungsbad gebrauchen können, fand den Gedanken zu baden aber befremdlich, solange der Fremde in ihrem Schlafzimmer lag. Und was sollte sie jetzt mit ihm tun? Warum hatte sie ihn nicht, wie sie es vorgehabt hatte, zum Bahnhof gebracht? Er besaß nichts zum Anziehen und sprach Latein. Me auxiliatus est ... gratias ago hatte er zu ihr gesagt, was nichts anderes bedeutete als Du hast mir geholfen ... ich danke dir.
     
     
    2. Dezember
     
    Eliana erwachte mit steifem Rücken auf ihrer Couch und stellte fest, dass sie verschlafen hatte. Ihr blieb noch genau eine halbe Stunde, um pünktlich zur Arbeit zu kommen. Sie duschte in einer Rekordzeit von fünf Minuten, band sich die Haare zu einem Pferdeschwanz und schlüpfte in einen halblangen Rock mit einem Rollkragenpullover. Die Buchhandlung Edel und Berns, in der sie arbeitete, war eine alteingesessene katholische Buchhandlung. Hier trugen die weiblichen Angestellten noch Röcke anstatt Jeans, und Make-Up war nicht gern gesehen. Praktisch – sie hatte ohnehin keine Zeit für Eitelkeiten.
    Leise öffnete sie die Tür zu ihrem Schlafzimmer, bevor sie die Wohnung verließ. Vielleicht war ja alles nur ein Traum gewesen. Ihre Hoffnungen wurden zerschlagen, als sie den Arm des Fremden über den Rand ihres Bettes hängen sah und seine gleichmäßigen Atemzüge unter der Decke erkannte. Entweder sie warf ihn jetzt auf die Straße oder sie ließ ihn allein in ihrer Wohnung. Gabriel sprang vom Bett und strich maunzend um ihre Beine. „Mein untreuer Judas“, kommentierte sie geistesabwesend das Schmeicheln des Katers. „Du musst bis heute Abend warten. Dein Futter liegt irgendwo auf der Domplatte.“
    Eliana hatte es nicht weit bis zur Arbeit, nur quer über den Roncalliplatz bis zur Buchhandlung. Es war
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher