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Der 18 Schluessel

Der 18 Schluessel

Titel: Der 18 Schluessel
Autoren: Birgit Fiolka
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außer ihr auf der Domplatte unterwegs – ein seltenes Bild für eine Stadt wie Köln, die für ihr Nachtleben bekannt war. Nur im Bahnhof drängten sich Menschen, denn viele hatten sich, als sie vom Schneegestöber überrascht wurden, in die Bahnhofspassagen geflüchtet. Eliana fühlte sich vollkommen durchgefroren. Noch einmal trat sie kräftig in die Pedale, obwohl ihr Verstand sich zu Wort meldete und ihr riet abzusteigen und die letzten hundert Meter zu ihrer Wohnung zu Fuß zu gehen. Mittlerweile lag eine dünne Schneedecke auf der Domplatte und darunter war es vom Eisregen spiegelglatt. Egal! Sie wollte nur schnell nach Hause in ihre gemütliche Wohnung.
    Durch den Wind drangen plötzlich Schritte an ihre Ohren, die schnell näher kamen, begleitet von einem rhythmischen Klappern.
    „Stehen bleiben!“
    Eliana wandte ihren Kopf und zog die Bremsen. Zwischen den Schneewehen erschien schemenhaft ein rotes Talar mit schwarzen Borten. Eliana erkannte das Geräusch als das Klappern eines hölzernen Spendenkastens. Die Domaufsicht? Im nächsten Moment krachte ihr etwas von der Seite ins Fahrrad. Eliana verlor das Gleichgewicht, schlingerte zur Seite und versuchte, mit dem rechten Fuß Stand zu bekommen. Doch im nassen Schnee hatte sie keine Chance. Ihr Fuß rutschte weg, und sie fiel auf den harten Steinboden. „So eine Schei ... „, rief sie, dann prallte etwas Schweres auf sie und presste die Luft aus ihren Lungen. Sterne explodierten vor ihren Augen – sie war sicher, dass ihre Rippen gebrochen waren. Aus den Augenwinkeln sah Eliana den Mann im roten Talar auf sich zukommen. Ihr Brustkorb fühlte sich an, als wäre ein Mühlstein darauf gefallen.
    Plötzlich bewegte sich der vermeintliche Mühlstein von ihr herunter und rollte zur Seite. Luft strömte eisig in ihre Lungen. Eliana traute ihren Augen nicht. Das, was da neben ihr im Schnee kauerte, war ein Mann ... ein nackter Mann! Die Domaufsicht hatte gar nicht sie verfolgt!
    „Geht es Ihnen gut?“, vernahm sie neben sich die Stimme des Domwärters und ergriff ohne nachzudenken die Hand, die er Eliana entgegenstreckte. Unbeholfen kam sie auf die Beine und erschrak, als sie Blut an ihrer Hand entdeckte und kurz darauf auch auf ihrer beigefarbenen Steppjacke. „Ich blute!“, rief sie aus und geriet in Panik, als sie sah, dass auch die dünne Schneedecke blutverschmiert war. Sie betastete panisch Arme, Beine und dann ihren Kopf. Seltsam, sie fühlte keinen Schmerz. Dann wurde ihr klar, dass es nicht ihr Blut war. Der Mann, der ihr ins Fahrrad gelaufen war und zitternd neben ihr im Schnee kauerte – es war sein Blut!
    Eliana beugte sich zu ihm hinunter und erschrak, als sie seinen Rücken sah – diese Wunden kamen doch nicht von ihrem Zusammenprall! Da waren zwei tiefe Schnitte, wie mit dem Skalpell gezogen. Die Haut war zwischen den Schulterblättern perfekt geteilt worden, beinahe bis auf den Knochen. Rot klaffte rohes Fleisch auseinander. Er blutete so stark, dass der Mann am Ende seiner Kräfte sein musste. „Um Himmels willen, was ist Ihnen denn passiert?“, sprach sie mit sich überschlagender Stimme auf ihn ein.
    „Maligne“, war das Einzige, was er zwischen vor Kälte klappernden Zähnen hervorbrachte. Das war Latein ... und bedeutete „Bösartig“. Ohne, dass sie es wollte, übernahm die Psychologin in ihr die Kontrolle und begann Schlüsse aus der Situation zu ziehen. Ein verletzter Mann, ein anderer im Talar, der ihn verfolgt ... Das war fast schon zu abstrus, als dass es wahr sein konnte. Aber hatte ihr das Leben nicht auf schmerzhafte Weise gezeigt, dass vieles möglich war, was sie gerne übersah? Sie hatte einmal weggeschaut ... das war ein Fehler gewesen, der ihr Leben in eine Tragödie verwandelt hatte. Eliana starrte den Domwärter an, der den Verletzten offenbar verfolgte. „Fassen Sie ihn nicht an, oder ich schreie um Hilfe.“
    Der Ältere riss die Augen auf und sah sie an, als hätte sie in die geheimen Abgründe seiner Seele geblickt. Ein deutliches Eingeständnis seiner Schuld, wie Eliana meinte.
    „Was ... meinen Sie?“
    Oftmals sahen solche Menschen kein Unrecht in dem, was sie anderen antaten. „Wenn Sie ihre abartigen Bedürfnisse befrieden wollen, suchen Sie sich jemanden, der es freiwillig mit Ihnen tut oder noch besser: Lassen Sie sich therapieren!“ Eliana zog ihre Steppjacke aus und spürte sofort die Kälte wie Nadelspitzen durch den Wollpullover in ihre Haut stechen. Trotzdem legte sie dem zitternden Mann die
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