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Depesche aus dem Jenseits

Depesche aus dem Jenseits

Titel: Depesche aus dem Jenseits
Autoren: Pierre Bellemare
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vollkommen irrsinnigen, überstürzten Reiseplänen abzuhalten.
    Auf dem Begräbnis wurde den scheinheilig-neugierig Fragenden erklärt, Mrs. Winchester habe einen Schock erlitten und müsse das Bett hüten — der Arzt habe ihr nicht erlaubt, am Begräbnis teilzunehmen!
    Das stimmt zwar nicht ganz, aber es kommt dennoch der Wahrheit ziemlich nah, denn Sarah Winchester steht offensichtlich unter einem schweren Schock.
    Es dauert mehrere Wochen! Und sie benimmt sich immer eigenartiger. Sie starrt ins Leere, spricht nicht und durchbohrt jeden, der versucht, ein vernünftiges Wort mit ihr zu reden mit wilden Blicken. Sie will nur eines: fort! Es ist eine fixe Idee. Und sie will nicht etwa irgendwohin verreisen. Nein — sie will unbedingt nach Westen! Warum gerade dorthin, wo sie niemanden kennt, wo sie nie im Leben gewesen ist?
    »Oliver hat mir gesagt, ich soll nach Westen!«
    »Und wann war das, Mutter?«
    »Heute morgen noch! >Sarah, geh nach Westen...<, das sagt er mir jeden Tag.«
    »Aber Vater ist schon seit Wochen tot!«
    »Na und? Glaubst du, daß er deswegen nicht mehr mit mir spricht? Dein Vater hat mir immer gesagt, was ich tun sollte... und er tut es jetzt noch! Hast du nie etwas davon gehört, daß die Toten uns nicht verlassen? Daß sie in Kontakt bleiben mit den Menschen, die sie sehr geliebt haben?«
    »Nun... sollte es so sein, mich hat er anscheinend nicht geliebt!«
     
    Der Sohn ist ärgerlich, aber er und die ganze Familie machen sich auch ernsthafte Sorgen um den Gemütszustand der älteren Dame. Die Erbschaftsangelegenheiten sind geregelt, warum sollte man Sarah nun daran hindern, nach Westen zu gehen, wenn es ihren Schmerz lindern kann? Irgendwann wird sie ihren Kummer schon überwinden, mit ihm leben lernen — und nach New Haven zurückkehren.
    Sarah Winchester darf also endlich abreisen — Richtung Westen. Wohin genau? Das weiß niemand. Sie selbst auch nicht.
    Auf ihrer Reise macht sie Halt in der kleinen Stadt San Jose. Weshalb? Selbstverständlich, weil ihr verstorbener Gatte Oliver den Wunsch geäußert hat. Und wer hat ihr empfohlen, sich an Dr. Caldwell zu wenden, um dort ein Haus zu kaufen? Nein! Da hat sich Oliver nicht eingemischt. Der Hotelbesitzer in San Jose, wo sie abgestiegen war, erzählte ihr:
    »Es ist ein wunderschönes Haus, Mrs. Winchester. Nur, es ist noch nicht ganz fertig. Dr. Caldwell wollte es seiner Frau schenken, doch sie ist vor kurzem gestorben, noch bevor sie einziehen konnten.«
    »Wann ist sie gestorben?«
    »Es war im letzten Dezember.«
    »O Gott! Am zehnten Dezember nicht wahr?«
    »Ja... woher wissen Sie das?«
    »Ich habe es nicht gewußt, ich dachte es mir nur. Wissen Sie, mein Mann ist auch an diesem Tag gestorben. Er hat bestimmt erfahren, daß Mrs. Caldwell zur gleichen Zeit wie er... uns verlassen hat. Die Toten wissen viel mehr als wir!«
    »So?«
    »Ja. Und deshalb hat mich Oliver zu diesem Haus geführt!«
     
    Der Hotelbesitzer beendet das Gespräch mit der Witwe — er läßt ihr ihre sonderbaren Vorstellungen vom Jenseits. Beim Notar wird der Kauf sofort geregelt:
    »Ich kaufe das Haus!«
    »Aber gnädige Frau, möchten Sie es nicht wenigstens vorher besichtigen?«
    »Nein. Nicht nötig. Dieses Haus ist wie für mich geschaffen.«
    »Mrs. Winchester, es ist wirklich ein sehr großes Haus! 17 Zimmer! Und es ist noch nicht einmal fertig. Ich würde Ihnen raten...«
    »Haben Sie den Auftrag, das Haus zu verkaufen, ja oder nein?«
    »Gewiß, doch, aber...«
    »Kein Aber. Ich kaufe dieses Haus sofort, so wie es ist. Es spielt keine Rolle, ob es fertig ist oder nicht. Und ich brauche es auch vorher nicht zu besichtigen. Beschaffen Sie bitte alle notwendigen Papiere und sagen Sie Dr. Caldwell, ich wünsche ihn heute Abend in meinem Hotel zu sprechen!«
    »Es tut mir leid, Mrs. Winchester, das wird nicht möglich sein. Gleich nach dem Tod seiner Frau hat er die Stadt verlassen. Er ist Hals über Kopf abgereist.«
    »Das kann ich gut verstehen. Wahrscheinlich hat ihm seine Frau den neuen Weg gewiesen!«
    »Wie bitte? Wie meinen Sie?«
    »Man muß nur zuhören... wenn die Toten mit uns sprechen.«
    »So?«
    »Ja, es ist so! Man sieht die Toten nicht mehr, aber sie sind da! Also gut, Herr Notar, ich verlasse mich auf Sie! Schauen Sie bitte, daß Dr. Caldwell bald unterschreibt. Ach ja, noch etwas! Könnten Sie mir einen Bauunternehmer hier in der Gegend empfehlen? Oliver möchte nicht, daß ich zu lange im Hotel bleibe.«
    »Ich will mein Bestes tun, Sie
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