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Depesche aus dem Jenseits

Depesche aus dem Jenseits

Titel: Depesche aus dem Jenseits
Autoren: Pierre Bellemare
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wenigstens frei atmen, wie damals Solange, deren Überreste nun dicht neben ihm liegen.
    »HILFE! 1, 2, 3, 4, 5, HILFE...!«
    Jetzt ruft er alle fünf Sekunden. Es ist sowieso das Einzige, was er noch tun kann: Schreien!
    Auf einmal hört er ein jammerndes Geräusch. Eine Katze miaut! Ganz in der Nähe! Im Augenblick kann sich François zwar durchaus nicht vorstellen, wie sie ihn retten könnte, aber er hat nur einen Gedanken: er muß sie zu sich locken! Also ruft er leise, zärtlich, und tatsächlich - das Kätzchen schaut plötzlich sehr neugierig, wer da wohl hinter den Gitterstäben hockt. Mit einem Griff bekommt Francis das Tier an einer Pfote zu fassen. Die Katze faucht, beißt und kratzt, aber sie verliert den Kampf, und Francis zieht sie durch die Stäbe herein und hält sie unter seinem Hemd.
    Der Dorfschullehrer hat jetzt ein Taschentuch, einen Bleistift und eine Katze, die sicherlich nach Hause jagen wird, sobald er sie frei läßt! Er schöpft wieder Hoffnung — wenn es um Leben und Tod geht, wird man erfinderisch! Er versucht mit dem Bleistift ein paar Worte auf sein Taschentuch zu schreiben. Unleserlich! Da probiert er einige grobe Striche — das geht — nur zwei Symbole: ein Ohr und zwei Wellenlinien. Die Kinder werden schon enträtseln, was das heißen soll: »Hören am Wasser!« Dann bindet er dem Kätzchen das Taschentuch um den Hals und schiebt es durch das Gitter hinaus.
    Nach fünf Minuten beginnt François wieder zu zählen und schreit alle fünf Sekunden: HILFE!
     
    «Monsieur Le Gac, sind Sie hier?«
    »Ja!«
    »Geht’s Ihnen gut?«
    »Ja!«
    »Wir holen Sie raus! Erklären Sie uns genau, wie Sie dorthin gekommen sind!«
    »Das weiß ich doch nicht!«
    Niemand, auch die Familie de Kermarec nicht — die man in Paris benachrichtigte — kannte den Geheimweg zum Verlies. Und niemand fand ihn. Es dauerte fast zwei Tage, bis François Le Gac befreit werden konnte. Die dicke Burgmauer mußte schließlich vom Wassergraben aus gesprengt werden...
    Eine Woche später wurde Solange zu Grabe getragen. Nach hundert Jahren fand sie endlich die letzte Ruhe in der Gruft ihrer Ahnen.
     
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