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Depesche aus dem Jenseits

Depesche aus dem Jenseits

Titel: Depesche aus dem Jenseits
Autoren: Pierre Bellemare
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noch einen kleinen Schreibblock. Sonst hat er nichts, was ihm im Augenblick helfen könnte... da noch ein Taschentuch und ein Bleistift! Aus den paar Blättern dreht er sich erstmal eine kleine Fackel und es gelingt gleich mit dem ersten Streichholz! Sie brennt!
    Endlich kann er seine unheimliche Umgebung erkennen. Am Boden, Steine und Sickerwasser. Er ist offenbar viel zu tief heruntergestiegen, er befindet sich sicher in einem unterirdischen Gang, an der gegenüberliegenden Wand entdeckt er eine zweite Tür. Wie soll er sich nun entscheiden? Versuchen, den Weg wieder zurückzugehen, oder weiter durch diese Tür? Zurück? Wohin? Er hat sich so beeilt, daß er gar nicht mehr weiß, wie er hierher gekommen ist! Also weiter, bevor die Fackel abgebrannt ist! Er stolpert über das Geröll, das am Boden liegt, drückt die Tür auf, will hindurchgehen... und fällt in die Tiefe!
     
    François bleibt eine Weile liegen. Er ist wie gelähmt vor Schreck, aber er ist nicht verletzt. Er hat nur Angst — panische Angst, denn jetzt beginnt er zu ahnen, wie Solange de Kermarec vor hundert Jahren möglicherweise verschwunden und dann gewiß umgekommen ist! Der alte Kastellan hat vorhin die Schauergeschichte von der Schwarzen Hochzeit erzählt...
    Schwarze Hochzeit! Dahinter steckt weder eine Sage noch ein Fluch — dahinter steckt ein Burgverlies! Ein todsicheres Verlies, wie es im Buche steht. Todsicher!
    Le Gac richtet sich auf und sucht nach den Streichhölzern. In der Hosentasche sind sie nicht. Taschentuch und Bleistift hat er bei sich — aber die Schachtel ist weg. Sie muß bei seinem Sturz auf den Boden gefallen sein — ja, genau, und nun liegt sie neben ihm in einer Pfütze — auch das noch!
    Vorsichtig steht er auf — allmählich gewöhnen sich seine Augen an die Dunkelheit. Von oben, etwa drei Meter über ihm — dringt schwaches Licht durch ein Loch herein — sehr blasses Licht, aber es kommt von draußen! Es ist Tageslicht! Doch es flimmert so wie Sonnenlicht, das sich im Wasser spiegelt. Der Wassergraben an der Rückseite der alten Burg! Von DORT kommt das Licht! Die teuflischen Baumeister des Mittelalters wußten genau, was sie taten, als sie das Verlies hier anlegten! Der Wassergraben ist mindestens drei Meter tief und zehn Meter breit — ein Schutzgraben oder eine Falle, wie man’s nimmt. Da entlang wagt sich niemand. Hat er nicht vorhin selber den Kindern verboten, in die Nähe des Wassers zu gehen?
    Obwohl es vollkommen sinnlos ist. schreit er wie rasend um Hilfe! Er schreit zehn Minuten lang aus voller Kraft, bis er erschöpft zu Boden fällt.
    »Wenn ich auch nur die geringste Chance haben will, jemals lebend aus diesem Grab herauszukommen, dann muß ich meine Kräfte sparen! Bleib ruhig, François, die Kinder suchen dich, es genügt, wenn du alle dreißig Sekunden um Hilfe rufst…« Der Lehrer in seiner Gruft beginnt zu zählen: 1, 2, 3, 4... 29, 30 HILFE! HIER BIN ICH! 1, 2, 3...«
    Ungefähr eine Stunde lang versucht er es mit dieser Methode — aber leider ohne Erfolg. Er muß sich etwas anderes einfallen lassen. Er muß hinauf bis zu dem kleinen Loch, aber wie? Es steht nichts herum, was er übereinanderstapeln könnte. Die einzige Möglichkeit wäre hinaufzuklettern, die Mauer hoch, wie ein Bergsteiger! Die Wände sind nicht glatt, es müßte gehen.
    Der Selbsterhaltungstrieb mobilisiert in ihm ungeahnte Kräfte und neuen Mut. Zentimeter um Zentimeter zieht er sich langsam nach oben, rutscht wieder zurück, kriecht noch einmal hinauf, tastet die glitschige Mauer nach Rissen und Höhlungen ab, an den kleinsten Unebenheiten klammert er sich fest, ruht sich zwischendurch aus, dann hat er es geschafft, er hat das Loch erreicht. Nach zwei oder nach drei Stunden vielleicht. Er hat keine Ahnung wie spät es ist; draußen ist es noch hell. Als er aber gerade hinausblicken will in die Freiheit, da schreit er plötzlich voller Entsetzen...
    Vor ihm liegt ein langer, immer enger zulaufender schräger Schacht — ungefähr fünf Meter lang. Die winzige Öffnung an seinem Ende ist mit Gitterstäben verschlossen — und davor liegt ein mit Fetzen bekleidetes Skelett. Solange de Kermarec! Auch sie hatte es vor hundert Jahren bis dorthin geschafft — auch sie hat bestimmt gedacht, nun sei sie gerettet. Francis robbt sich hinauf und hält sich an dem verrosteten, aber leider doch sehr robusten Gitter fest. Die Luke ist so klein, unmöglich, da hindurch zu schlüpfen, auch ohne Gitter. Aber immerhin, jetzt kann er
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