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Denn Gruen Ist Der Tod

Titel: Denn Gruen Ist Der Tod
Autoren: Nigel McCrery
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mit der Presse. Er fuhr mit seinen Fragen fort.
    »Wie erklären Sie sich dann den Zustand der Leichenstarre, Doktor Ryan?«
    Sam wartete einen Augenblick und überflog ihre Notizen, um sicherzugehen, dass ihre Erklärung klar und nachvollziehbar war.
    »Es war keine Leichenstarre. Jedenfalls nicht im eigentlichen Sinne.«
    Mit neu erwachtem Interesse setzte Allan sich plötzlich auf. Er kannte Sam gut und wusste, wie kompetent sie war. Er hatte sich sogar auf ihren Bericht gefreut. Ihre Beweisführung war immer klar, präzise und gut aufgebaut, ohne jede Abschweifung und dumme Spekulation. Diesmal schien sie jedoch nicht dem bewährten Muster zu folgen und das machte ihn neugierig.
    »Es war ein Zustand, den man mit dem Begriff Todeskrampf bezeichnet.« Sam sah wieder zur Pressetribüne hinüber. »Damit ist das plötzliche Zusammenziehen der Muskeln zum Zeitpunkt des Todes gemeint.«
    Allan lenkte ihre Aufmerksamkeit wieder auf das Gespräch mit ihm zurück. »Ich weiß sehr gut, was Todeskrampf ist, Doktor Ryan, aber in den fünfzehn Jahren, die ich diesem Gericht vorsitze, habe ich noch nie einen solchen Fall gehabt. Sind Sie ganz sicher?«
    »Ja«, entgegnete Sam entschlossen.
    »Es gibt doch sogar wissenschaftliche Untersuchungen, die die Existenz dieses Zustandes generell anzweifeln oder zumindest davon ausgehen, dass so etwas allenfalls auf dem Schlachtfeld passiert.« Diesmal blickte er zur Pressetribüne hinüber und registrierte mit einer gewissen Befriedigung, dass jedes seiner Worte mitgeschrieben wurde. »Aber Sie bleiben dabei?«
    »Ja, so ist es.«
    »Wie ist er also Ihrer Meinung nach gestorben?«
    Sam war gespannt auf Allans Reaktion. Sie sah ihm direkt ins Gesicht und ließ die Bombe platzen.
    »Es war Selbstmord. Ich bin der Ansicht, dass Andrew Stringer sich das Leben genommen hat. Wir wissen, dass die emotionale Verfassung eines Menschen unter diesen Umständen von großer Bedeutung ist. Wir wissen auch, dass der Verstorbene unter enormem psychischem Druck stand, weil sich seine Ex-Freundin mit einem anderen verlobt und er daraufhin Rache geschworen hatte. Das, so meine ich, war seine Rache.«
    »Aber fanden Sie seine Körperhaltung nicht etwas merkwürdig?«
    »Nicht, wenn er die Polizei glauben machen wollte, dass er ermordet wurde.«
    Allan lehnte sich in seinem Sessel zurück und lauschte ihren Ausführungen. Sam war sich sicher, dass ihre Untersuchungsergebnisse ihn überzeugen würden, und fuhr fort.
    »Wir wissen mittlerweile, dass das Messer, welches er benutzt hat, ein paar Tage vor seinem Tod aus der Wohnung seiner Ex-Freundin gestohlen wurde. Ich gehe davon aus, dass er mit dem Vorsatz, sich umzubringen, zum College kam und hoffte, der Verdacht würde auf sie oder ihren Verlobten fallen. Er setzte sich auf die Bank und steckte das Messervorsichtig zwischen die Oberkante der Rückenlehne und die weiche Haut seiner linken Armbeuge. Das würde die ungewöhnliche Stellung seines Arms zum Zeitpunkt seiner Entdeckung erklären. Zuerst hatte ich gedacht, er hätte vielleicht versucht, das Messer herauszuziehen, aber ganz im Gegenteil: Er wollte sichergehen, dass es in seinen Körper eindrang. Die Kratzer im Holz der Rückenlehne stammen von dem Metallmesser. Nachdem er das Messer in Position gebracht hatte, warf er sich mit solcher Kraft dagegen, dass die Klinge zwischen seiner sechsten und siebten Rippe hindurch in Herz und Lunge eindrang. Er war fast auf der Stelle tot.«
    Im Gerichtssaal war es mucksmäuschenstill geworden. Sam erklärte weiter: »Der Schmerz und der Schock haben zusammen mit seiner emotionalen Verfassung zu diesem Zeitpunkt mit Sicherheit zu dem Muskelkrampf geführt. Wenn dieser Krampf, der verhinderte, dass der Körper von der Bank herab auf die Erde sank, nicht eingesetzt hätte, stünde jetzt ein unschuldiger Mensch unter Mordverdacht und Andrew Stringer wäre seine bizarre Rache gelungen.«
    Obgleich Allan sich von ihren Argumenten hatte mitreißen lassen, entging ihm keineswegs, dass Sam mit ihren letzten Äußerungen die Grenzen einer Expertise überschritten hatte. Schnell warf er ein: »Ich glaube, das sollte doch das Gericht entscheiden, nicht wahr, Doktor Ryan?«
    Sam erkannte nun ebenfalls, dass sie vielleicht einen Schritt zu weit gegangen war, nickte ihm zu und schloss ihre Aktenmappe.
     
    Solange sich die Leute im Dorf zurückerinnern konnten, war Reg Applin schon ihr Totengräber gewesen. Er genoss seinen Status, aber er wusste auch, dass seine Zeit
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