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Flug 2039

Flug 2039

Titel: Flug 2039
Autoren: Chuck Palahniuk
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Kapitel 47
    Test. Test. Eins, zwei, drei.
    Test. Test. Eins, zwei, drei.
    Ob das Ding überhaupt funktioniert? Ich weiß es nicht. Ob ihr mich überhaupt hören könnt? Ich weiß es nicht.
    Aber wenn ihr mich hören könnt, hört zu. Und wenn ihr zuhört, dann kommt jetzt die Geschichte von allem, was schief gegangen ist. Das hier ist der so genannte Flugschreiber von Flug 2039. Die Blackbox, so heißt das ja wohl, obwohl das Ding orangefarben ist; da drin steckt eine Drahtschleife, und die zeichnet alles auf, was noch übrig ist. Hier drin steckt die ganze Geschichte.
    Nur zu.
    Auch wenn ihr diesen Draht zur Weißglut erhitzt, wird er euch immer noch exakt dieselbe Geschichte erzählen.
    Test. Test. Eins, zwei, drei.
    Und solltet ihr zuhören, sage ich es lieber gleich: Die Passagiere sind zu Hause, in Sicherheit. Die Passagiere sind auf den Neuen Hebriden, sagen wir mal so, von Bord gegangen. Danach waren nur noch er und ich in diesem Flugzeug, aber er, der Pilot, ist dann irgendwo mit dem Fallschirm abgesprungen. Irgendwo über dem Wasser. Über irgendeinem Ozean.
    Ich werde das noch oft wiederholen, aber es ist die Wahrheit. Ich bin kein Mörder.
    Und ich bin allein hier oben.
    Der Fliegende Holländer.
    Und wenn ihr euch das anhört, macht euch klar, dass ich allein im Cockpit von Flug 2039 bin, zusammen mit einer ganzen Schar dieser winzigen Nuckelflaschen mit längst abgelaufenem Wodka und Gin, die sich vor mir auf der Instrumententafel unter den Fenstern tummeln. In der Kabine überall noch die Tabletts mit kaum angetasteten Hähnchen Kiew oder Bœuf Stroganoff, aber der Airconditioner läuft und vertilgt sämtliche noch vorhandenen Essensgerüche. Zeitschriften liegen noch aufgeschlagen da, wo die Leute sie gelesen haben. Die Sitze sind allesamt leer, und man könnte meinen, die Leute sind alle nur mal kurz auf die Toilette gegangen. Aus den kleinen Plastikkopfhörern dudelt immer noch leise Musik vom Band.
    Hier oben über der Wetterschicht bin nur noch ich in meiner Boeing-747-4oo-Zeitkapsel, zusammen mit zweihundert ungegessenen Schokoladenkuchen und der Pianobar in der oberen Etage, in die ich über eine Wendeltreppe gelangen könnte, um mir einen weiteren kleinen Drink zu mixen.
    Gott behüte, ich will euch nicht mit allen Einzelheiten behelligen, aber ich fliege hier oben auf Autopilot, so lange, bis der Treibstoff verbraucht ist. Dann gibt’s einen »Flameout«, wie der Pilot das genannt hat. Ein Motor nach dem anderen gibt den Geist auf, hat er gesagt. Er wollte mir klar machen, womit ich zu rechnen hätte. Er hat mich dann auch noch mit einer Menge Einzelheiten über Düsentriebwerke und den Venturieffekt gelangweilt, wie man den Auftrieb mit Hilfe der Landeklappen verbessern kann und wie das Flugzeug, nachdem alle vier Triebwerke ausgefallen sind, zu einem 200000 Kilo schweren Gleiter wird. Und nachdem der Autopilot es auf einen schnurgeraden Kurs eingestellt hat, wird der Gleiter, so erklärt mir der Pilot, einen kontrollierten Abstieg beginnen.
    Ein solcher Abstieg, sage ich, wäre mal eine nette Abwechslung. Sie wissen ja nicht, was ich dieses Jahr schon alles durchgemacht habe.
    Unter seinem Fallschirm hatte der Pilot noch die farblose 08/15-Uniform an, die aussah, als hätte sie ein Ingenieur entworfen. Davon abgesehen, war er wirklich hilfsbereit. Hilfsbereiter, als ich es wäre, wenn mir jemand eine Pistole an den Kopf halten und mich fragen würde, wie viel Treibstoff noch im Tank sei und wie weit wir damit noch kommen könnten. Er erklärte mir, wie ich das Flugzeug wieder auf Reiseflughöhe bringen könne, nachdem er über dem Ozean abgesprungen sei. Zudem erzählte er mir alles über den Flugschreiber.
    Die vier Triebwerke sind von eins bis vier durchnummeriert, von links nach rechts.
    Am Ende des kontrollierten Abstiegs erwartet mich ein Sturzflug in den Erdboden. Der Pilot nennt das die Endphase des Flugs, bei der es mit knapp zehn Metern pro Sekunde abwärts gehe. Das sei die so genannte Endgeschwindigkeit, die Geschwindigkeit, die letztlich alle Gegenstände mit gleicher Masse im freien Fall erreichen. Dann erzählt er mir umständlich in allen Details etwas über Newtonsche Physik und den Turm von Pisa.
    »Aber nageln Sie mich nicht darauf fest«, sagt er. »Meine Prüfung liegt schon sehr lange zurück.«
    Er sagt, die Hilfsgasturbinen werden bis zum Aufschlag des Flugzeugs Strom erzeugen.
    Das heißt, sagt er, Sie haben Aircondition und Musik, so lange Sie überhaupt noch etwas
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