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Denn Gruen Ist Der Tod

Titel: Denn Gruen Ist Der Tod
Autoren: Nigel McCrery
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sich gedrückt und Sam selbst ignoriert. Und so war Gott mit seiner Kirche zu ihrem Sündenbock geworden; auf ihn hatte sie ihre ganze Wut gelenkt, genau wie ihre Mutter ihre Wut auf Sam lenkte. Die fünfzehn Berufsjahre als Pathologin hatten sie in ihrem Atheismus nur bestärkt und sie hatte das, was ihr an spirituellem Bewusstsein geblieben war, eingetauscht gegen die kalte klinische Analyse auf dem Seziertisch und im Labor.
    Jetzt fühlte sie sich aus unerklärlichen Gründen auf einmal an die Vergangenheit erinnert und dachte über ihre alten Theorien nach. Sie betrat die Kathedrale von Ely zum ersten Mal seit langer Zeit. Es war eine schwierige Prozedur gewesen, bei der sie sich zuerst vor dem Haupteingang herumgedrückt hatte, um Mut zum Hineingehen zu fassen. Sie war auf und ab geschritten und hatte dabei das Portal angestarrt, als lauere dahinter die Hölle. Schließlich hatte sie sich einer Reisegruppe angeschlossen und war in deren Schutz anonym in das überwältigende Innere gehuscht.
    Sie wurde von Richard Owen, dem Polizeiarzt, aus ihren Gedanken gerissen. »Großartig, nicht wahr?«
    Sam sah ihn einen Moment lang verwirrt an.
    »Die Kathedrale, ist sie nicht großartig?«
    Sie sammelte sich wieder. »Ja, in der Tat.«
    »Ich komme gern zu den Verhandlungen der Fälle, mit denen ich zu tun hatte – besonders, wenn sie hier in Ely stattfinden. Es ist so ein schöner Ort.«
    Sam nickte. »Ja, es ist wirklich wunderbar.«
    »Das war ja eben eine brillante Leistung von Ihnen! Allerdings stehe ich jetzt wie ein Trottel da.«
    »Das war aber nicht meine Absicht, Richard. Es ist wirklich ein sehr seltener Befund, ich habe so etwas selbst zum ersten Mal gesehen. Es gibt keinen Grund, warum Sie es hätten erkennen sollen.«
    »Aber Sie haben es erkannt! Wenn es mir in den Sinn gekommen wäre, seine Temperatur zu messen, hätte ich ebenfalls gemerkt, dass da etwas nicht stimmt. Aber es schien alles so offensichtlich.«
    Sie sah Richard in die Augen und spürte, dass er ihr Leid tat. »Tja, dann wissen Sie es beim nächsten Mal«, sagte sie unbeholfen.
    »Ja, allerdings.« Er schwieg einen Moment. »Hören Sie, Janet und ich haben uns gefragt, ob Sie wohl in den nächsten Wochen einmal abends Zeit hätten. Wir möchten Sie nämlich gern zum Essen einladen. Bei der Gelegenheit könnten Sie Janet endlich kennen lernen. Sie sind etwa im selben Alter und auch sonst werden Sie, da bin ich sicher, einige Gemeinsamkeiten entdecken. Und wir könnten auch endlich mal ein bisschen plaudern.«
    Es war das erste Mal, dass Owen wirklich mit ihr redete, seit sie vor etwas mehr als einem Jahr nach Cambridge gekommen war. Zwar tauschten sie sich gelegentlich aus, aber das war immer auf die berufliche Ebene beschränkt geblieben. Sie hatte nicht einmal geglaubt, dass er sie besonders mochte; umso mehr überraschte sie jetzt diese Einladung. Sie freute sich, dass er ihre Aussage vor Gericht nicht als persönliche Kränkung empfand. Owen war noch einer von der alten Schule und sehr eingefahren in seinen Arbeitsmethoden. Er war nun seit fast dreißig Jahren Polizeiarzt und hatte schon mit Mordfällen zu tun gehabt, als sie selbst noch mit geflochtenen Zöpfen und Zahnlücken herumgelaufen war. Sein Problem war, dass er in dieser sich rasch verändernden Welt nicht schnell genug mitkam.
    »Ich komme gern.«
    Owen wirkte erfreut. »Sehr gut. Ich rufe Sie nächste Woche an, dann machen wir einen Termin aus.«
    Sie wurden unterbrochen, als sich ihnen eine junge Frau näherte. Sie war Anfang zwanzig, schlank, hübsch und hatte lange blonde Haare. Sam war sie vorher schon im Gericht aufgefallen.
    »Doktor Ryan? Hätten Sie vielleicht einen kleinen Moment Zeit für mich?«
    Richard Owen verabschiedete sich: »Hören Sie, ich muss los. Wir sehen uns später noch.«
    Sam lächelte ihm zu und schon verschwand er um die Ecke. Sie wandte ihre Aufmerksamkeit der jungen Frau zu.
    »Ich bin Rebecca West, Andrews ehemalige Freundin. Ich möchte Ihnen nur danken für das, was Sie getan haben. Mir war klar, dass Andrew verrückt war, deshalb habe ich ihn ja verlassen. Ich hatte nur nicht bemerkt, wie verrückt er war!«
    »Er wird Ihnen ja jetzt keine Probleme mehr machen.«
    »Nein.«
    Sam bemerkte einen jungen, gut aussehenden Mann, der ein paar Meter entfernt wartete und gespannt zu ihnen herüberblickte. Sie gehörten offensichtlich zusammen.
    »Er sieht nett aus.«
    Rebecca sah zu ihm hin und lächelte ihn an. Der Mann lächelte zurück, wie es
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