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Demokratie! - wofür wir kämpfen

Demokratie! - wofür wir kämpfen

Titel: Demokratie! - wofür wir kämpfen
Autoren: Campus
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der Krise
    Der Triumph des Neoliberalismus und seine Krisen haben die Wirtschaft und Politik von Grund auf verändert. Aber auch auf gesellschaftlichem und menschlichem Gebiet haben sie gewaltige Umwälzungen bewirkt und neue Rollen hervorgebracht. Die Vorherrschaft des Finanzwesens und der Banken hat »die Verschuldeten« geschaffen. Die Kontrolle über Informations- und Kommunikationsnetze hat »die Vernetzten« erzeugt. Das Regime der Überwachung und der allgemeine Ausnahmezustand haben Subjekte hervorgebracht, die in Angst leben und sich nach Schutz sehnen: »die Verwahrten«. Und die Korruption der Demokratie hat sonderbare, entpolitisierte Subjekte geschaffen: »die Vertretenen«. Diese vier Rollen bilden die gesellschaftliche Landschaft, von der die Widerstandsbewegungen aus- und gegen die sie angehen müssen. Wie wir noch sehen werden, können sie sich diesen Rollen nicht nur verweigern – sie können sie auch in ihr Gegenteil verkehren und neue Subjekte hervorbringen, die zu unabhängigem Leben und Handeln fähig sind. Doch zunächst wollen wir uns die Rollen ansehen, die von der neoliberalen Krise hervorgebracht wurden.
Die Verschuldeten
    Verschuldung ist zum Normalzustand der Gesellschaft geworden. Leben heißt Schulden machen: Das Studium wird per Ausbildungskredit finanziert, das Eigenheim per Hypothek, das Auto per Leasingvertrag, der Arztbesuch per Kreditkarte, und so weiter. Wir leben heute nicht mehr in einem Sozialstaat, sondern in einem Schuldenstaat und müssen unsere Grundbedürfnisse auf Pump befriedigen. Unser ganzes Dasein ist auf Schulden aufgebaut. Wir überleben dank der Kredite und leben unter der Last der Rate.
    Die Schulden beherrschen uns. Sie disziplinieren unseren Konsum, sie zwingen uns zu Sparsamkeit und oft genug reduzieren sie uns auf das bloße Überleben. Darüber hinaus geben sie uns unseren Arbeitsrhythmus und unsere Entscheidungsspielräume vor. Wer nach dem Studium auf Schulden sitzt, muss die erstbeste Stelle annehmen, um sie abzuzahlen. Wer eine Wohnung mit einer Hypothek kauft, darf nicht arbeitslos werden und keinen Urlaub machen. Genau wie die Arbeitsethik zwingen uns die Schulden, immer schön fleißig zu sein. Doch während die Arbeitsethik in unserem Innern heranwächst, beginnen die Schulden als äußerer Zwang, der langsam nach innen kriecht. Schulden werden zu einer moralischen Instanz, die über Verantwortungsund Schuldgefühle wirkt und schnell zur Besessenheit führt. Wir sind verantwortlich für unsere Schulden und fühlen uns schuldig, weil sie uns das Leben schwer machen. Verschuldung macht unglücklich, Schuld wird zum Lebensgefühl der Verschuldeten. Wer nicht die Mittel hat, das Leben zu genießen, für den verwandelt sich die Freude am Handeln und Schaffen allmählich in einen Alptraum. Wir haben unser Leben an den Feind verkauft.
    Das erinnert an Hegels Dialektik von Herr und Knecht, nur dass es sich nicht um eine Dialektik handelt: Schulden bereichern uns nicht, wenn wir uns gegen sie auflehnen; sie stoßen keine Handlung an und nähren keinen Impuls zur Befreiung. Schulden lassen uns lediglich weiter verkümmern, sie rauben uns unser Potenzial, sie erniedrigen uns und isolieren uns in Schuld und Elend. Schulden zerstören jede Illusion, die der Dialektik noch innewohnt – die Hoffnung beispielsweise, dass sich die Unglücklichen irgendwann aus der Abhängigkeit befreien, dass die Arbeit zur Erfüllung führt oder die Negation zur Freiheit. Die Rolle der Verschuldeten lässt sich nicht erlösen, sie lässt sich nur zerstören.
    Früher gab es Massen von Lohnarbeitern, heute gibt es die Multitude des Prekariats. Erstere wurden vom Kapital ausgebeutet, doch die Ausbeutung verbarg sich hinter dem Mythos vom freien Handel zwischen gleichberechtigten Partnern. Auch die Angehörigen des Prekariats werden ausgebeutet, doch ihr Verhältnis zum Kapital erscheint nicht mehr als Handel zwischen Gleichberechtigten, sondern als hierarchisches Verhältnis zwischen Schuldnern und Gläubigern. Dem Mythos der Marktwirtschaft zufolge begegnen sich Arbeiter und Kapitalisten auf dem Markt und gehen aus freien Stücken einen fairen Handel ein: Ich gebe dir meine Arbeitskraft und du zahlst mir dafür einen Lohn. Es war das Paradies von »Freiheit, Gleichheit, Eigentum und Bentham«, wie Marx ironisch schrieb. Wir müssen nicht daran erinnert werden, wie falsch und irreführend dieses Märchen von der Freiheit und Gleichheit tatsächlich ist.
    Doch die kapitalistischen
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