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Dem Mammut auf der Spur

Dem Mammut auf der Spur

Titel: Dem Mammut auf der Spur
Autoren: Franziska Gehm
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sich von den anderen auslachen lassen. Mit einem Ruck steht Luchsohr auf, dreht sich um und schleicht sich in die Dunkelheit davon. Hinter den Hütten, wo das Licht des Feuers nur noch ganz schwach leuchtet, setzt er sich auf einen Stein. Sollen sie doch über ihn lachen, hier kann er es wenigstens nicht mehr hören.

    Luchsohr reibt sich die Augen und stützt den Kopf in die Hände. »Aus mir wird nie ein richtigerJäger. Und Papu wird schrecklich enttäuscht sein«, flüstert er vor sich hin.
    »Warum soll ich enttäuscht sein?«, kommt auf einmal eine tiefe Stimme aus dem Halbdunkel. Vor Luchsohr steht Papu. Er setzt sich neben seinen Sohn auf den Stein. »Hast du etwa Angst vor der Prüfung?« Papu sieht Luchsohr eindringlich an.
    Luchsohr runzelt die Stirn. »Nein   … doch   … schon   … nicht nur.«
    »Sondern?« Papus Stimme klingt fest und streng.
    Luchsohr beißt sich auf die Lippen. Er weiß nicht, ob er Papu alles erzählen will. Schließlich ist Papu ein mächtiger und geschickter Jäger. Er hat bestimmt noch nie danebengeschossen. Oder nur ganz selten. Und nur ganz knapp. Ob er Luchsohr überhaupt versteht?
    Luchsohr schielt zu seinem Papu. Im schwachen Licht des fernen Feuers schimmern seine Augen dunkel und warm. Wenn er es jemandem sagen kann, dann Papu. Und wenn, dann jetzt.
    Luchsohr holt einmal tief Luft und sagt schnell: »Ich habe nicht nur vor der Prüfung Angst, sondern davor, nie ein richtiger Jäger zu werden.« So. Jetzt ist es raus.
    Papu stutzt, dann lacht er kurz laut auf. »Wiekommst du denn darauf? Natürlich wirst du ein richtiger Jäger. Dein Vater ist ein großer Jäger, dein Großvater war ein großer Jäger und dein Urgroßvater auch. Du wirst ein richtiger Jäger, glaub mir, Luchsohr.«
    »Ja, aber   … aber ich habe noch nie ein Tier erlegt«, erwidert Luchsohr. »Und weißt du noch, damals, bei der Großjagd?«
    Papu zieht die dichten Augenbrauen zusammen. »Du meinst, als wir das Mammut einkreisen wollten?«
    Luchsohr nickt. »Ich stand hinter Pfotenherz’ Papa und das Mammut war nur ein paar Schritte von uns entfernt. Ich hätte es treffen müssen, dann wäre Pfotenherz’ Papa noch am Leben. Aber ich habe danebengeschossen. Wie immer.« Bei der Erinnerung zieht sich Luchsohr der Magen zusammen und er wird ganz blass.
    Papu schüttelt den Kopf. »Kein Jäger, egal wie gut, hätte Pfotenherz’ Papa damals retten können. Er war sehr mutig, aber er hat sich zu nah an das Mammut herangewagt. Wenn du das Mammut getroffen hättest, wäre es vielleicht noch wütender geworden und auf dich losgegangen.« Papu legt den Arm um Luchsohr. »Du kannst nichts dafür. Mach dir keineSorgen, aus dir wird ein guter Jäger. Auch wenn du das Mammut damals nicht getroffen hast   – jeder Jäger trifft mal daneben.«
    »Ja, aber nicht andauernd«, sagt Luchsohr leise.
    »Na, jetzt übertreibst du aber.«
    Luchsohr schüttelt den Kopf. »Da ist noch etwas, was ich bis jetzt niemandem erzählt habe.«
    Papu beugt sich nach vorne und mustert Luchsohr. »Ein richtiges Geheimnis?«
    Luchsohr nickt. »Ich glaube, ich weiß, warum ich nie treffe.« Luchsohr hält kurz inne, seufzt und erzählt weiter: »Es ist ein bisschen unheimlich, aber ganz einfach: Wenn ich in die Ferne gucke, verschwimmt alles vor meinen Augen. Dann sehe ich nur noch grobe Umrisse und Punkte. Als würden die bösen Geister der getöteten Tiere einen Nebelschleier vor meine Augen ziehen. Und der Schleier geht einfach nicht weg, egal, wie sehr ich mir die Augen reibe oder blinzele. Nur in der Nähe wird wieder alles klar.«
    Papu wiegt langsam den Kopf hin und her. »Hm, wenn man die Beute nicht sieht, kann man sie natürlich auch schlecht treffen.«
    »Genau. Und deswegen werde ich nie ein richtiger Jäger werden. Verstehst du jetzt?«
    »Nein«, sagt Papu bestimmt. »Trotzdem kannst du ein großer Jäger werden.«
    Luchsohr sieht seinen Papu zweifelnd an.
    »Als dein Großvater starb, warst du noch sehr klein. Aber du kennst ja die Geschichten über ihn: Er war einer der größten und geschicktesten Jäger, den die Horde jemals hatte. Unter ihm musste die Horde nur selten Hunger leiden, denn ständig hatte er neue Ideen, wie sie Beute erlegen konnten.«
    »Ja, ich weiß. Aber was hat das mit meinen Augen zu tun?«
    »Dein Großvater«, sagt Papu und stupst Luchsohr mit dem Zeigefinger an die Brust, »hat mir von genau demselben Schleier erzählt, von dem du mir eben erzählt hast. Er meinte allerdings, den Schleier
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