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Defekt

Defekt

Titel: Defekt
Autoren: Patricia Cornwell
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Asservatenband
versiegelt, auf dem Teppich. Das gesamte Inventar von Jans Zimmer wird zusammengepackt. Alles einsacken, was nicht niet-
und nagelfest ist, hat
Marino in seine Anweisung geschrieben.
    Seine große behandschuhe Hand durchwühlt weitere
Kleidungsstücke, diesmal schäbige Männersachen, ein Paar Schuhe mit
abgetrennten Fersenkappen, eine Mütze mit dem Emblem der Miami Dolphins und ein
weißes Hemd, auf dessen Rückseite die Aufschrift LANDWIRTSCHAFTSMINISTERIUM
prangt. Mehr steht da nicht. Nicht etwa LANDWIRTSCHAFTS- UND
VERBRAUCHERSCHUTZMINISTERIUM FLORIDA, nur LANDWIRTSCHAFTSMINISTERIUM. Wie
Marino vermutet, wurden die Blockbuchstaben mit einem Markierstift angebracht.
    „Wie konnten Sie übersehen, dass er in Wirklichkeit
eine Frau war?“, fragt Gus, während er eine weitere Tüte versiegelt. „Sie waren
nicht dabei.“
    „Dann muss ich Ihnen wohl glauben“, erwidert Gus und
streckt die Hand nach dem nächsten Kleidungsstück, einer schwarzen
Feinstrumpfhose, aus.
    Gus ist bewaffnet und trägt einen Kampfanzug, wie es
Lucys Spezialagenten immer tun, auch wenn es eigentlich überflüssig ist. Und an
einem Tag, an dem es fünfunddreißig Grad warm ist und die zwanzigjährige
Verdächtige in einem Gefängniskrankenhaus hinter Schloss und Riegel sitzt, war
es vermutlich wirklich nicht nötig, vier Spezialagenten ins Hotel Sea Breeze zu
schicken. Doch ganz gleich, wie ausführlich Marino das, was Benton ihm über
Helens Persönlichkeitsspaltung - oder Alter Egos, wie er sie nennt - erzählt
hat, auch erläutert, die Spezialagenten glauben ihm einfach nicht, dass sich
nicht noch weitere gefährliche Gewalttäter hier herumtreiben. Sie vermuten
vielmehr, dass Helen noch einige Komplizen wie Basil Jenrette hatte, die sehr
wohl real vorhanden sind.
    Inzwischen befassen sich zwei von Lucys Agenten mit
dem Computer, der auf dem Schreibtisch am Fenster mit Blick auf den Parkplatz
steht. Sie finden auch einen Scanner, einen Farbdrucker, Päckchen mit
Hochglanzpapier und ein halbes Dutzend Anglerzeitschriften.
     
    Die Bohlen auf der vorderen Veranda sind verzogen.
Einige sind weggefault, andere fehlen, sodass der sandige Boden zu sehen ist.
Von den Wänden des einstöckigen Hauses unweit der Everglades blättert die Farbe
ab.
    Bis auf den Verkehrslärm in der Ferne, der wie
Windböen klingt, ist es still. Nur das Scharren und Kratzen von Schaufeln ist
zu hören. Leichengestank verpestet die Luft und scheint in dunkel schimmernden
Wellen durch die stickige Nachmittagshitze zu wabern. Je näher man den Gruben
kommt, desto schlimmer wird es. Inzwischen haben Agenten, Polizisten und
Spurensicherungsexperten vier Gräber gefunden, und die aufgewühlte Erde sowie
die Verfärbungen des Bodens lassen darauf schließen, dass es noch mehr davon
gibt.
    Scarpetta und Benton stehen im Vorraum an der Tür,
wo ein Aquarium aufgebaut ist. Darin liegt eine zusammengekrümmte große Spinne
tot auf einem Stein. An der Wand lehnt ein Mossberg-Schrotgewehr Kaliber zwölf,
daneben sind fünf Schachteln Munition gestapelt. Scarpetta und Benton sehen
zu, wie zwei Männer, schwitzend im Anzug, mit Krawatte und blauen
Nitrilhandschuhen, eine Bahre mit klappernden Rädern vorbeischieben, auf der
die in einen Leichensack gehüllten sterblichen Überreste von Ev Christian
liegen. An der weit offenen Tür bleiben sie stehen.
    „Ich möchte, dass Sie sofort wieder hierher
zurückkommen, wenn Sie sie in die Leichenhalle gebracht haben“, sagt Scarpetta
zu ihnen.
    „Das haben wir uns schon gedacht. So etwas
Grauenhaftes habe ich noch nie erlebt“, erwidert einer der beiden Männer.
    „Da steht Ihnen noch einiges bevor“, ergänzt der
zweite.
    Unter lautem Geschepper klappen sie die Beine der
Bahre ein und tragen Ev Christians Leiche hinaus zu dem dunkelblauen
Transporter.
    „Wie soll man diesen Fall vor Gericht bringen?“,
fällt einem der Männer noch ein, als er schon unten an der Treppe steht. „Falls
diese Frau sich selbst umgebracht hat, kann man doch niemanden wegen Mordes
anklagen.“
    „Bitte beeilen Sie sich“, erwidert Scarpetta nur.
    Nach kurzem Zögern gehen die Männer weiter. Lucy
kommt aus dem hinteren Teil des Hauses. Sie trägt zwar einen Schutzanzug und
eine dunkle Brille, hat die Gesichtsmaske und ihre Handschuhe aber abgelegt. Im
Laufschritt steuert sie auf den Helikopter zu.
    „Nichts spricht dagegen, dass sie es doch getan
hat“, sagt Scarpetta zu Benton, während sie zwei Packungen
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