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Defekt

Defekt

Titel: Defekt
Autoren: Patricia Cornwell
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nämlich verglichen mit dem
Gefängnis zu wie in einem Fünf-Sterne-Hotel, insbesondere dann, wenn man in die
Todeszelle gesteckt wird, eine winzige Kammer, in der man Beklemmungen kriegt
und sich in seiner blauweiß gestreiften Hose und dem orangefarbenen T-Shirt
vorkommt wie Bozo der Clown.
    Basil steht von seinem Eisenbett auf und streckt
sich, scheinbar ohne sich für die Kamera hoch oben an der Wand zu interessieren.
Niemals hätte er zugeben dürfen, dass er manchmal Selbstmordphantasien hat und
dass seine bevorzugte Methode darin bestünde, sich die Pulsadern
aufzuschneiden und zu beobachten, wie er verblutet. Während er zusieht, wie die
Tropfen - plopp, plopp, plopp - auf dem Boden langsam eine Lache bilden, würde
er an früher denken, als er sich mit verschiedenen Frauen angenehm die Zeit
vertrieben hat. Wie viele mögen es wohl gewesen sein? Er hat den Überblick verloren.
Vielleicht acht. Zu Dr. Wesley hat er acht gesagt. Oder waren es zehn?
    Er streckt sich noch einmal. Nachdem er die Toilette
aus Edelstahl benutzt hat, kehrt er zum Bett zurück, wo er die neueste Ausgabe
von Field &
Stream aufschlägt. Er betrachtet Seite
52, auf der eigentlich ein Artikel über das erste .22-Jagdgewehr, eine
fröhliche Hasen- und Oppossumjagd und einen Angelausflug in Missouri stehen
müsste.
    Doch Seite 52 ist nicht das Original. Die echte
Seite 52 wurde herausgerissen und in einen Computer eingescannt. Anschließend
hat jemand den Text des Artikels in derselben Schrift und mit der identischen
Spaltenaufteilung mit einem Brief überlagert. Zu guter Letzt wurde die
eingescannte Seite 52 vorsichtig wieder in die Zeitschrift eingelegt und mit
ein wenig Leim befestigt. Was auf den ersten Blick wie ein im Plauderton
gehaltener Artikel über die Freuden des Jagens und Fischens wirkt, ist in
Wahrheit eine geheime, nur für Basil bestimmte Mitteilung.
    Die Wachen interessieren sich nicht dafür, ob die
Insassen Fischereizeitschriften lesen, und blättern sie meistens nicht einmal
durch, denn schließlich geht es in diesen langweiligen Postillen weder um Sex
noch um Gewalt.
    Basil schlüpft unter die Decke, dreht sich nach
links und legt sich diagonal aufs Bett, sodass er der Kamera den Rücken zukehrt,
wie immer, wenn er sexuell Dampf ablassen muss. Dann greift er unter die dünne
Matratze und zieht weiße Streifen aus Baumwollstoff heraus. Sie stammen von
zwei weißen Boxershorts, mit deren Zerkleinerung er sich schon die ganze Woche
beschäftigt.
    Versteckt unter der Decke, fängt er an, mit den
Zähnen zu zerren und zu ziehen. Jeder Streifen wird fest an den nächsten
geknüpft, sodass ein inzwischen bereits knapp zwei Meter langes Seil entsteht.
Der Stoff reicht noch für zwei weitere Streifen. Er reißt das Material mit den
Zähnen ein und zupft es auseinander. Dabei atmet er schwer und schaukelt hin
und her, als wolle er sich sexuell erleichtern. Schließlich knotet er den
letzten Streifen an das Seil.
     
    62
     
    In der Computerzentrale der Akademie sitzt Lucy vor
drei großen Monitoren und liest E-Mails, die sie vom Server abruft.
    Bis jetzt haben sie und Marino herausgefunden, dass
Joe Arnos vor Beginn seiner Facharztausbildung Kontakt zu einem
Fernsehproduzenten hatte, der angeblich im Auftrag eines Kabelsenders eine
weitere Forensikshow plante. Für seine Beiträge wurden Joe fünftausend Dollar
pro Folge in Aussicht gestellt, vorausgesetzt, dass die Show jemals gesendet
werden würde. Offenbar hatte Joe Ende Januar die ersten genialen Einfälle, etwa
um die Zeit, als Lucy beim Testen neuer Flugmanöver in ihrem Helikopter übel
wurde, sodass sie sich auf die Toilette flüchten musste und dabei ihr Treo
vergaß. Anfangs hat Joe sich noch in Zurückhaltung geübt und die Horror-Szenen
nur kopiert. Doch mit der Zeit wurde er immer unverfrorener, stahl die Ideen
einfach und bediente sich nach Herzenslust aus den verschiedenen Datenbänken.
    Lucy ruft eine weitere Mail vom Server ab. Sie wurde
vor einem Jahr, nämlich am 10. Februar, verfasst, und zwar von Jan Hamilton,
der Praktikantin vom letzten Sommer, die sich mit der Spritze gestochen und
gedroht hatte, die Akademie zu verklagen.
    Sehr geehrter Dr. Arnos,
     
    ich habe Sie gestern Abend in der
Radiosendung von Dr. Seif gehört und war von Ihren Äußerungen über die
National Forensic Akademy begeistert. Offenbar handelt es sich um eine faszinierende
Einrichtung, und ich möchte Ihnen dazu gratulieren, dass Sie Ihre
Facharztausbildung dort absolvieren können.
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