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Defekt

Defekt

Titel: Defekt
Autoren: Patricia Cornwell
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die Polizei von Hollywood vermutet, dass mehr
dahinterstecken könnte. Sie haben Laurel im Verdacht.“
    „Laurel?“
    „Johnny Swifts Bruder, eineiige Zwillinge. Aber es
gab keine Beweise, und allmählich ist Gras über die Sache gewachsen. Doch dann
habe ich am Freitagmorgen so gegen drei einen Anruf gekriegt, von einem
Spinner, und das auch noch bei mir zu Hause. Wir haben das Telefonat nach
Boston zurückverfolgen können.“
    „Boston
in Massachusetts?“
    „Da, wo die Tea Party stattgefunden hat.“
    „Ich dachte, du hättest eine Geheimnummer.“
    „Ich eigentlich auch.“
    Marino zieht ein zusammengefaltetes, ziemlich
zerfleddertes Stück braunes Papier aus der Gesäßtasche seiner Jeans und
streicht es glatt.
    „Ich lese dir vor, was der Typ gesagt hat, ich habe
es Wort für Wort mitgeschrieben. Er nannte sich Hog.“
    „Hog wie Schwein?“ Während Scarpetta ihn ansieht,
fragt sie sich, ob das ein schlechter Scherz ist und ob er sie zum Narren
halten will.
    Das tut Marino in letzter Zeit häufig.
    „Er sagte nur: Ich bin Hog. Du hast ihnen eine Strafe
gesandt, die sie zum Gespött machte. Was zum
Teufel das auch immer heißen mag. Dann weiter: Es gibt einen Grund, warum am Fundort
von Johnny Swifts Leiche einige Gegenstände gefehlt haben, und wenn du nur
einen Funken Verstand hast, prüfst du nach, was Christian Christian passiert
ist. Es gibt keine Zufälle. Am besten fragst du Scarpetta, denn die Hand Gottes
wird alle Perversen zermalmen, auch ihre Nichte, diese lesbische Schlampe.“
    Scarpetta lässt sich ihre Gefühle nicht anmerken,
als sie erwidert: „Bist du sicher, dass das seine genauen Worte waren?“
    „Sehe ich vielleicht aus wie ein Romanautor?“
    „Christian Christian?“
    „Keine Ahnung, was das soll. Der Typ schien nicht
gerade aufgeschlossen für Fragen oder bereit, etwas zu buchstabieren. Er hat
sehr leise gesprochen, absolut emotionslose Stimme, und dann aufgelegt.“
    „Hat er Lucy namentlich erwähnt oder nur ...?“
    „Ich habe ihn wörtlich zitiert“, unterbricht er sie.
„Sie ist doch deine einzige Nichte, oder? Also kann er nur Lucy gemeint haben.
Und HOG dürfte für >Hand of God< stehen - also die Hand Gottes -, falls
du noch nicht selbst drauf gekommen sein solltest. Um mich kurz zu fassen: Ich
habe die Polizei von Hollywood verständigt, die uns daraufhin gebeten hat, den
Fall Johnny Swift so schnell wie möglich unter die Lupe zu nehmen. Offenbar
stimmt etwas mit den Untersuchungsergebnissen nicht, denn er ist anscheinend
sowohl aus einiger Entfernung als auch aus nächster Nähe erschossen worden.
Tja, und das schließt sich wohl gegenseitig aus, oder?“
    „Wenn nur ein Schuss abgegeben wurde, schon.
Offenbar wurde da etwas durcheinandergebracht. Wissen wir, wer Christian
Christian ist? Ist damit überhaupt eine Person gemeint?“
    „Bis jetzt hat der Computer nichts Hilfreiches
zutage gefördert.“
    „Und warum erzählst du mir das alles erst jetzt? Ich
war das ganze Wochenende hier.“
    „Ich hatte zu tun.“
    „Wenn du Informationen über einen Fall wie diesen
hast, solltest du nicht zwei Tage warten, ehe du damit zu mir kommst“, gibt
sie so ruhig wie möglich zurück.
    „Vielleicht solltest du, was das Zurückhalten von
Informationen angeht, besser ganz ruhig sein.“
    „Welche Informationen?“, entgegnet sie irritiert.
    „Sei lieber ein bisschen vorsichtiger. Mehr sage ich
dazu nicht.“
    „Deine Geheimnistuerei ist nicht eben hilfreich,
Marino.“
    „Fast hätte ich es vergessen. Hollywood interessiert
sich für Bentons berufliche Meinung zu diesem Thema“, fügt Marino wie beiläufig
hinzu.
    Wie immer ist sein Versuch, seine Gefühle für Benton
Wesley zu verbergen, nicht sehr erfolgreich.
    „Ich kann ihn natürlich bitten, sich den Fall
anzusehen“, erwidert Scarpetta, „aber es ist seine Entscheidung.“
    „Die in Hollywood möchten, dass er untersucht, ob
der Anruf von diesem durchgeknallten Hog nur ein schlechter Scherz war. Ich
habe ihnen schon erklärt, dass das ohne Bandaufnahme schwierig ist, zumal wir
uns nur auf mein Privatsteno auf einer Papiertüte stützen können.“
    Als Marino aufsteht, wirkt er riesig, und Scarpetta
fühlt sich in seiner Gegenwart noch kleiner als sonst. Er greift nach seinem nutzlosen
Helm und setzt die Sonnenbrille auf. Während des gesamten Gesprächs hat er sie
kein einziges Mal angeblickt, und nun kann sie seine Augen gar nicht mehr sehen
und ihren Ausdruck deuten.
    „Ich werde mich darum
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