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Defekt

Defekt

Titel: Defekt
Autoren: Patricia Cornwell
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kümmern. Sofort“, antwortet
sie, während er zur Tür geht. „Wenn du möchtest, können wir die Fakten später
gemeinsam sichten.“
    „Hm.“
    „Warum kommst du nicht zu
mir nach Hause?“
    „Hm“, wiederholt er.
„Wann?“
    „Um sieben“, erwidert sie.
     
    2
     
    Benton Wesley sitzt im Labor für Magnetresonanz-Tomographie
und beobachtet den Patienten durch eine Plexiglaswand. Das Licht ist gedämpft,
auf den Schreibtischen leuchten einige Monitore, seine Armbanduhr liegt oben
auf seinem Aktenkoffer. Ihm ist kalt. Nach einigen Stunden im Labor ist er bis
auf die Knochen durchgefroren. Wenigstens fühlt es sich so an.
    Der heutige Patient wird nur mit seiner
Identifikationsnummer bezeichnet, obwohl er auch einen Namen hat: Basil
Jenrette. Er ist ein leicht ängstlicher, intelligenter, dreiunddreißigjähriger
zwanghafter Mörder. Benton vermeidet den Ausdruck Serienkiller, denn er ist
abgedroschen und sagt eigentlich nichts weiter aus, als dass ein Täter
innerhalb eines bestimmten Zeitraums drei oder mehr Menschen umgebracht hat.
Das Wort „Serie“ bezieht sich auf eine chronologische Abfolge, verrät aber
nichts über die Motive oder den Geisteszustand des Gewaltverbrechers. Wenn
Basil Jenrette tötete, stand er unter Zwang. Er konnte nicht mehr aufhören.
    Heute wird sein Gehirn mit einem 3-Tesla-Tomographen
abgetastet, dessen Magnetfeld sechzigtausendmal stärker ist als das der Erde.
Man will feststellen, ob etwas an Jenrettes Gehirn oder dessen Funktionen
Hinweise auf seine Beweggründe gibt.
    Benton hat ihm während der Patientengespräche immer
wieder die Frage nach dem Grund seiner Taten gestellt.
    Ich habe sie gesehen, und das
war's. Ich musste es tun.
    Sie mussten es sofort in diesem
Augenblick tun?
    Nicht gleich auf der Straße. Ich
bin ihr gefolgt, bis ich einen Plan hatte und wusste, wie ich es anstellen
wollte. Um ehrlich zu sein, hat es mehr Spaß gemacht, je länger ich zuvor
überlegt hatte.
    Und wie lange dauerte das
normalerweise? Ich meine, das Verfolgen und das Planen? Können Sie das ungefähr
abschätzen? Tage, Stunden, Minuten?
    Minuten, vielleicht Stunden.
Manchmal auch Tage. Hing ganz davon ab. Blöde Kühe, ich meine, wenn Sie in der
Situation wären, dass Sie jemand entführen will, würden Sie einfach im Auto
sitzen bleiben und nicht einmal versuchen abzuhauen?
    Haben die Trauen sich so
verhalten, Basil? Haben sie im Auto gesessen, ohne einen Versuch zur Flucht zu
unternehmen?
    Außer den letzten beiden. Aber
das wissen Sie ja, deshalb bin ich ja hier. Sie hätten sich bestimmt auch nicht
gewehrt, doch dann hatte ich eine Autopanne. So was Blödes. Was würden Sie tun?
Würden Sie sich lieber gleich im Auto abknallen lassen oder würden Sie
abwarten, was ich mit Ihnen anstelle, nachdem ich Sie in mein Versteck
gebracht habe?
    Wo war denn Ihr Versteck?
Handelte es sich dabei immer um denselben Ort?
    Nur wegen dieser bescheuerten
Autopanne.
    Bis jetzt ist die Struktur von Basil Jenrettes
Gehirn völlig unauffällig. Die einzige Abweichung, auf die Benton durch Zufall
stößt, ist eine Zyste im hinteren Kleinhirn, die lediglich seinen
Gleichgewichtssinn ein wenig beeinträchtigen könnte. Aber es muss etwas mit der
Funktionsweise seines Gehirns nicht stimmen. Eine andere Möglichkeit gibt es
nicht, denn sonst wäre er ja kein Kandidat für die BESTIE-Studie und hätte sich
vermutlich auch nicht mit der Teilnahme einverstanden erklärt. Für Basil ist
alles ein Spiel. Er hält sich für klüger als Einstein und für den
intelligentesten Menschen der Welt. Wegen seiner Taten hat er nicht einen
Moment Reue empfunden, und er gibt offen zu, dass er noch mehr Frauen umbringen
würde, wenn er die Möglichkeit dazu hätte. Leider macht Basil einen sympathischen
Eindruck.
    Die beiden Justizvollzugsbeamten im Labor
beobachten, staunend und neugierig zugleich, durch die Scheibe die zwei Meter
lange Röhre, in der sich der Magnet befindet. Sie tragen zwar Uniformen, aber
keine Waffen, denn die sind hier drinnen nicht gestattet. Im Labor sind keine
Gegenstände aus Metall, auch keine Handschellen und Fußfesseln, erlaubt, und
deshalb sind Basils Knöchel und Handgelenke nur mit Plastikfesseln fixiert,
während er auf dem Tisch in der Magnetröhre liegt und das ohrenbetäubende
Krachen und Hämmern der Funkwellenimpulse vernimmt, die klingen wie auf
Hochspannungsleitungen gespielte Höllenmusik - so stellt Benton es sich
zumindest vor.
    „Vergessen Sie nicht, jetzt kommen die
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