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Defekt

Defekt

Titel: Defekt
Autoren: Patricia Cornwell
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Benton in dem kleinen
Untersuchungszimmer am Tisch gegenüber und verharrt still und höflich auf
seinem Stuhl. Sein Ausbruch in der Magnetröhre hat ungefähr zwei Minuten
gedauert, und als er sich wieder beruhigt hatte, war Dr. Lane schon fort. Also
ist er ihr beim Verlassen des Raumes nicht begegnet, und Benton wird dafür
sorgen, dass das auch in Zukunft so bleibt.
    „Ist Ihnen auch bestimmt nicht komisch oder
schwindelig?“, erkundigt sich Benton, verständnisvoll und gelassen wie immer.
    „Mir geht es prima. Die Tests waren Klasse. Für
Tests hatte ich schon immer eine Schwäche. Ich wusste, dass ich alles richtig
beantworten würde. Wo sind die Fotos? Sie haben es versprochen.“
    „Davon war nie die Rede, Basil.“
    „Ich hatte doch alle Antworten richtig, eine glatte
Eins.“
    „Also hat es Ihnen Spaß gemacht?“
    „Beim nächsten Mal zeigen Sie mir die Fotos, wie Sie
es versprochen haben.“
    „Ich habe Ihnen nie etwas dergleichen versprochen,
Basil. Fanden Sie es aufregend?“
    „Hier drin darf man sicher nicht rauchen.“
    „Ich fürchte, nein.“
    „Wie sieht mein Gehirn denn aus? Gut? Haben Sie
etwas erkennen können? Ist es möglich, festzustellen, wie intelligent jemand
ist, indem Sie sich sein Gehirn anschauen? Wenn Sie mir die Fotos zeigen
würden, würden Sie sofort merken, dass sie mit denen übereinstimmen, die ich im
Gehirn habe.“
    Inzwischen spricht er sehr leise und schnell. Mit
leuchtenden, glasigen Augen und ohne Luft zu holen, redet er darüber, was die
Wissenschaftler vermutlich in seinem Gehirn erkennen werden, vorausgesetzt,
dass sie überhaupt in der Lage sind, es zu entschlüsseln - denn dass es da
etwas Interessantes zu finden gibt, davon ist Basil felsenfest überzeugt.
    „Was soll denn da sein?“, hakt Benton nach. „Könnten
Sie mir das ein wenig genauer erklären, Basil?“
    „Mein Gedächtnis. Wenn Sie hineinschauen, sehen Sie
meine Erinnerungen.“
    „Ich fürchte, das geht nicht.“
    „Wirklich. Ich wette, es sind alle möglichen Bilder
hochgekommen, als es vorhin gepiepst, gescheppert und geklopft hat. Ganz
bestimmt haben Sie die Bilder gesehen und wollen es mir bloß nicht verraten. Es
waren insgesamt zehn, und Sie wissen genau, was ich meine. Zehn Bilder, nicht
nur vier. Ich sage immer zehn-vier, als Witz, weil es zum Totlachen ist. Sie
glauben, dass es vier sind, ich aber weiß, es sind zehn. Und Sie würden es erkennen,
wenn Sie mir die Fotos zeigen würden, denn dann gäbe es keinen Zweifel daran,
dass sie mit den Bildern in meinem Gehirn übereinstimmen. Wenn Sie in mein
Gehirn schauen, sehen Sie die Bilder. Zehn-vier.“
    „Beschreiben Sie mir, was das für Bilder sind,
Basil.“
    „Hab Sie doch nur verarscht“, erwidert er mit einem
Augenzwinkern. „Ich will meine Post.“
    „Welche Bilder sollten wir denn in Ihrem Gehirn
sehen?“
    „Dämliche Weiber. Die rücken meine Post nicht raus.“
    „Wollen Sie damit behaupten, dass Sie zehn Frauen
umgebracht haben?“ Benton stellt diese Frage ganz sachlich und ohne sich sein
Entsetzen anmerken zu lassen. Basil grinst, als wäre ihm gerade etwas
eingefallen.
    „Ach, jetzt darf ich meinen Kopf wieder bewegen,
oder? Kein Band mehr am Kinn. Wird mein Kinn auch festgebunden, wenn ich die
Spritze kriege?“
    „Sie kriegen keine Spritze, Basil. Das ist Teil der
Abmachung. Ihre Strafe wurde in lebenslänglich umgewandelt. Sie erinnern sich
doch an unser Gespräch darüber?“
    „Weil ich verrückt bin“, entgegnet Basil
schmunzelnd. „Deshalb bin ich ja hier.“
    „Nein. Wir gehen das noch einmal durch, weil es
wichtig ist, dass Sie es verstehen. Sie sind hier, weil Sie bereit waren, an
unserer Studie teilzunehmen, Basil. Der Gouverneur von Florida hat Ihre
Verlegung in unser Staatskrankenhaus in Butler genehmigt, doch der Staat
Massachusetts wollte nur unter der Bedingung zustimmen, dass er Ihre Strafe
zuvor in lebenslänglich umwandelt. In Massachusetts gibt es nämlich keine
Todesstrafe.“
    „Ich weiß, dass Sie die zehn Frauen sehen wollen.
Und zwar so, wie ich sie in Erinnerung habe. Sie sind in meinem Gehirn.“
    Basil weiß genau, dass man mithilfe der
Computertomographie weder die Gedanken noch die Erinnerungen eines Menschen
abbilden kann. Er findet sich nur unglaublich witzig. Basil will die
Autopsiefotos in die Hände bekommen, um damit seine Gewaltphantasien anzuregen,
und wie die meisten narzisstischen Soziopathen genießt er es, sich
aufzuspielen.
    „Ist das Ihre Überraschung,
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