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Der Junge mit den blauen Haaren

Der Junge mit den blauen Haaren

Titel: Der Junge mit den blauen Haaren
Autoren: Doris Loesel
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* * *

Blau …  
    E r beugt sich zu mir herab. Alles, was ich erkennen kann, sind knallblaue Haare und Augen in derselben Farbe, die mich ansehen.
Nein, sie sehen mich nicht nur an.
Sie betteln mich an.
Warum? Können Augen überhaupt betteln? Eigentlich ist es mir völlig egal, ob und warum sie das tun.
Viel zu sehr genieße ich es, in diese Wunderwerke menschlicher Sinnesorgane zu blicken, die so intensiv auf mich gerichtet sind, als wäre ich das achte Weltwunder, das gerade neu entdeckt wurde. Ich fühle mich geschmeichelt.
Obwohl ich nicht erkennen kann, wie er aussieht, da ich viel zu beschäftigt damit bin, zu analysieren, ob seine Augen marineblau oder eher kobaltblau sind, weiß ich instinktiv, dass er einfach nur der Wahnsinn ist. Und das liegt nicht an dem kleinen silbernen Ring, der seine modisch rasierte Augenbraue ziert und die Aufmerksamkeit erst Recht auf seine Augen lenkt. Vollkommen unnötig das Ganze! Ganz sicher ist der Typ der Hammer!
So was in der Art von California Dreamboy.
Gut aussehend, noch besser gebaut und … naja … total heiß eben!
Gerade nehme ich mir vor, das zu den Augen gehörige Gesicht einer eingehenden Untersuchung zu unterziehen, als ich eine verzweifelte Stimme ganz nah an meinem Ohr vernehme.
„Komm zurück zu mir, Kim!“ Zurückkommen? Was soll das denn, bitteschön, heißen? Ich bin doch hier! War ich denn fort? Ich weiß ja nicht mal, wer er ist. Und wenn ich es wüsste – und das hieße dann ja wohl, das ich ihn kenne, vielleicht sogar mit ihm zusammen war - wieso, um alles in der Welt, sollte ich einen solchen Traumtypen überhaupt verlassen? Jetzt bin ich neugierig, also, richtig neugierig.
Ich drehe mich zu ihm hin, um ihn endlich genau in Augenschein nehmen zu können … das heißt, ich versuche , mich umzudrehen … aber ich kann es nicht.
Keines meiner Körperteile reagiert auf die Befehle, die ihm mein Kleinhirn erteilt.
„Was …?“
Selbst meine Stimmbänder gehorchen mir nicht und lassen nur ein raues Krächzen aus meiner Kehle entweichen.
„Gott sei Dank, du bist wieder da!“, höre ich die Stimme, die plötzlich nahezu euphorisch anmutet. Aha! Ich war also tatsächlich weg. Aber wieso war ich weg? Und wo war ich überhaupt?
Und warum, zur Hölle, kann ich mich nicht bewegen?

    * * *

1)

    „ K im, steh endlich auf, du verpasst deinen Flieger!“
Die befehlsgewohnte Stimme meines Erzeugers hat ungefähr dieselbe Wirkung auf mich, wie ein Eimer eiskalten Wassers, der gerade über mir ausgekippt wurde.
Mit einem Ruck setze ich mich in meinem Bett auf.
Ui, ich kann mich wieder bewegen. Ein Traum. Ich habe nur geträumt. Mal wieder. Ohne mir dessen bewusst zu sein, gleiten meine Fingerspitzen über meine Arme.
Gott sei Dank!
Ich spüre die Berührung und als Reaktion auf mein Streicheln stellen sich unverzüglich die winzigen Härchen auf. Selbst die auf meinen Beinen.
Was mich sofort daran erinnert, dass ich noch ein ausgedehntes Körperpflegeprogramm absolvieren muss vor meiner Abreise.
„Bist du wach, Kim?“
„Ja, ja, ich bin wach“, antworte ich mürrisch.
„Dann sieh zu, dass du endlich in die Gänge kommst! Das Flugzeug wartet nicht auf dich!“
Ich verziehe mein Gesicht zu einer Fratze, die hoffentlich so hässlich ist, wie die Gefühle, die ich für den Besitzer dieser Stimme empfinde.
„Na sowas“, platzt es aus mir heraus, ehe ich mich zurückhalten kann, „ich dachte, du und dein Geld wären mit Leichtigkeit dazu in der Lage, selbst Flugzeuge am Abheben zu hindern …“
Eben schwinge ich meine Beine voller Elan – oder ist es Wut? - aus dem Bett, als die Türe zu meinem Zimmer aufgerissen wird und das fuchsteufelswilde Gesicht meines Vaters ist das Erste, das ich heute Morgen sehen muss. Schnell presse ich die Bettdecke vor meinen Körper.
Meine ohnehin nicht gerade tolle Laune rast mit überhöhter Geschwindigkeit gen Gefrierpunkt.
„Übertreib‘ es nicht, Kim!“, droht er und seine Gesichtsfarbe wechselt zwischen Pink und Magenta.
„Ich soll es nicht übertreiben?“ Wütend, hm? Na, das kann ich auch.
Seit exakt fünf Tagen bin ich darin sogar richtig gut geworden.
„Wer schickt mich denn einfach ohne eine vernünftige Erklärung weg?“, frage ich wohl zum hundertsten Mal seit vergangenem Mittwoch. „Und warum, zum Teufel, muss ich in meinem letzten Schuljahr die Schule wechseln? Die Schule, die ich gerade erst seit wenigen Wochen besuchen darf. Mir hat es dort verdammt gut gefallen …“
Ich stelle mein Gekeife ein, als
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