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Deadlock

Deadlock

Titel: Deadlock
Autoren: Sara Paretsky
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Teppichboden verschluckte meine Schritte. Von der Glaswand der Ostseite waren die blaubedruckten Vorhänge zurückgezogen worden. Der Panoramablick verschlug mir den Atem - Wasser und Himmel verschmolzen zu einer riesenhaften graugrünen Kugel. Ich überließ mich dem überwältigenden Eindruck, bis ich ein Gefühl tiefen Friedens empfand. Plötzlich hatte ich das unbestimmte Empfinden, dass ich nicht allein in der Wohnung war. Schließlich nahm ich ein leichtes Geräusch wahr - das Rascheln von Papier.
    Ich ging auf den Gang hinaus und stellte fest, dass das Geräusch von rechts kam. Zu meinem Termin mit Simonds hatte ich ein Kostüm angezogen und hochhackige Schuhe - völlig ungeeignete Kleidungsstücke, wenn man einen Einbrecher stellen wollte. Ich streifte die Schuhe ab, machte leise die Wohnungstür auf, um mir einen Fluchtweg offen zu halten, und stellte meine Handtasche im Gang neben einen Zeitungsständer. Dann sah ich mich im Wohnzimmer nach einer brauchbaren Waffe um. Ein Bronzepokal auf dem Kaminsims fiel mir ins Auge, eine Anerkennung für Champs besondere Verdienste beim Gewinn des Stanley Cup. Ich holte ihn lautlos herunter und schlich in Richtung Schlafzimmer.
    Sämtliche Türen im Gang standen offen. Auf Zehenspitzen näherte ich mich dem ersten Raum, Champs Arbeitszimmer. Flach gegen die Wand gepresst, in der rechten Hand fest den schweren Pokal, so steckte ich meinen Kopf vorsichtig durch die Tür.
    Mit dem Rücken zu mir saß Paige Carrington an Champs Schreibtisch und kramte in irgendwelchen Papieren. Ich kam mir albern vor, und gleichzeitig ärgerte ich mich. Lautlos zog ich mich zurück, stellte den Pokal auf einem Beistelltischchen ab und schlüpfte in meine Schuhe.
    »Sie sind früh dran«, sagte ich, als ich das Arbeitszimmer betrat. »Wie sind Sie denn hereingekommen?«
    Sie schreckte hoch, und einige Papiere glitten ihr aus der Hand. Röte überzog ihr Gesicht bis zum Haaransatz. »Oh! Ich habe Sie nicht vor zwei erwartet.«
    »Ich Sie auch nicht. Ich dachte, Sie hätten keinen Schlüssel?« »Seien Sie mir nicht böse, Vic. Für zwei Uhr wurde eine zusätzliche Probe angesetzt, und ich wollte unbedingt meine Briefe finden. Deshalb habe ich Hinckley - das ist der Portier -überredet, mir die Wohnung aufzuschließen.« Einen Augenblick lang hatte ich den Eindruck, in ihren honigfarbenen Augen Tränen zu sehen, doch sie wischte mit dem Handrücken darüber und lächelte schuldbewusst. »Ich hatte gehofft, ich sei vor Ihrem Eintreffen wieder verschwunden. Die Briefe sind nämlich sehr persönlich. Ich konnte den Gedanken nicht ertragen, dass jemand sie liest - selbst wenn Sie es gewesen wären.« Sie streckte mir flehend die rechte Hand entgegen.
    Ich sah sie mit zusammengezogenen Augenbrauen an. »Haben Sie etwas gefunden?«
    Sie zuckte die Achseln. »Vielleicht hat er sie nicht aufbewahrt.« Sie bückte sich, um die Papiere aufzuheben. Ich kniete mich auf den Boden und wollte ihr helfen. Es schien sich um Geschäftsbriefe zu handeln, denn Myron Fackleys Name fiel mir mehrmals auf. Er war Champs Manager gewesen. »Ich bin erst bei der zweiten Schublade, und es gibt noch sechs, die voller Papierkram sind. Ich glaube, er hat einfach alles aufgehoben - in einer Schublade ist nur Fanpost.«
    Verflixt! Acht Schubladen voller Papiere! Einordnen und Sortieren hatten von jeher zu meinen schwachen Seiten gezählt.
    Ich setzte mich auf die Schreibtischkante und legte Paige die Hand auf die Schulter. »Sehen Sie, ich muss ohnehin sämtliche Unterlagen sichten, die den Nachlass betreffen könnten. Überlassen Sie das Suchen doch einfach mir. Ich verspreche Ihnen, Ihre Privatbriefe an Champ nicht zu lesen, falls sie auftauchen sollten. Ich stecke sie in einen Umschlag.«
    Sie lächelte unsicher. »Vielleicht ist es Eitelkeit - aber wenn er sogar bündelweise Briefe von Kindern aufbewahrt hat, die er gar nicht kannte, dachte ich mir, dass er meine Briefe auch aufgehoben hat.« Sie wandte sich ab.
    Ich versuchte sie zu beruhigen. »Keine Sorge, Paige. Sie tauchen bestimmt noch auf.«
    Sie schniefte dezent. »Ich glaube, ich bin nur deshalb so hinter ihnen her, weil ich dann nicht ständig daran denken muss, dass er wirklich ... nicht mehr da ist.« »Das versteh' ich. Und ich bin wütend auf ihn, weil er alles gesammelt hat wie ein Eichhörnchen.«
    Sie lachte ein wenig. »Ich habe einen Koffer mitgebracht. Am besten, ich packe meine Kleider und Kosmetika, die noch hier sind, zusammen und verschwinde«,
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