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Deadlock

Deadlock

Titel: Deadlock
Autoren: Sara Paretsky
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hochgezogenen Augenbrauen wandte ich mich ihr zu. »Sie sind Champs Testamentsvollstreckerin?«
    Ich nickte. Sie trommelte mit den Fingern auf das Lenkrad. »Meine Beziehung zu Champ hatte noch nicht das Stadium erreicht, in dem man Wohnungsschlüssel austauscht.« Sie lächelte verlegen. »Ich würde gern ein paar persönliche Dinge aus seiner Wohnung holen.«
    »Gern. Ich hatte vor, morgen Nachmittag seine Papiere durchzusehen. Wollen wir uns um zwei dort treffen?«
    »Danke. Nett von Ihnen ... Darf ich Sie Vic nennen? Champ hat so oft von Ihnen gesprochen, dass ich das Gefühl habe, Sie schon lange zu kennen.« Wir fuhren gerade unter der Hauptpost durch, in deren Fundament man eine sechsspurige Autobahn eingeschnitten hatte. Paige nickte bekräftigend mit dem Kopf. »Und Sie müssen mich Paige nennen.« Sie wechselte die Spur, manövrierte den Audi um einen Wagen der Müllabfuhr und bog nach links in die Wabash Avenue ein. Sie setzte mich vor meinem Büro ab - am Pulteney-Gebäude an der Kreuzung Wabash Avenue/Monroe Street. Über uns donnerte die Hochbahn hinweg. »Wiedersehen!«, schrie ich durch das Getöse. »Bis morgen um zwei!«

2
    Verlorene Liebesmüh
    Als Eishockeyspieler hatte Champ bei den Hawks eine Menge Geld verdient. Einen beachtlichen Teil davon hatte er vor fünf Jahren in eine Eigentumswohnung in einem schicken Glaspalast am Lake Shore Drive nördlich der Chestnut Street investiert. Seither war ich einige Male dort gewesen, häufig mit einer Schar gutmütiger beschwipster Hockeyspieler. Champs Anwalt, Gerald Simonds, übergab mir die Hausschlüssel sowie die Schlüssel für den Jaguar meines Vetters. Am Vormittag hatten wir uns mit seinem Testament befasst - einem Dokument, das höchstwahrscheinlich für weiteren Aufruhr unter den Tanten sorgen würde; denn Champ hatte den Löwenanteil seines Vermögens karitativen Einrichtungen und dem Pensionsfonds der Hockeyspieler-Witwen vermacht. Die Tanten wurden nicht einmal erwähnt. Mir selbst hinterließ er eine gewisse Summe mit der Aufforderung, nicht alles in Black Label anzulegen. Simonds legte seine Stirn missbilligend in Falten, als ich lachte. Er erklärte mir, dass er vergeblich versucht habe, Champ davon abzuhalten, diese Klausel einzufügen. Gegen Mittag waren wir fertig. Für einen meiner Mandanten hatte ich zwar ein paar Kleinigkeiten im Bankenviertel zu erledigen, doch standen, abgesehen von einigen Gerichtsverhandlungen, im Augenblick keine interessanten Fälle an. Lediglich einen Mann musste ich noch aufspüren, der mit der Hälfte des Firmenvermögens einer Handelsgesellschaft verschwunden war, wozu auch eine Zwölf-Meter-Jacht gehörte. Nichts Eiliges also. Ich holte meinen Wagen - einen grünen Mercury Lynx - vom Parkplatz des Fort Dearborn Trust und fuhr los in Richtung Goldküste.
    Wie in den meisten feudalen Wohnanlagen gab es auch in Champs Haus einen Portier, einen untersetzten Mann mittleren Alters, der bei meiner Ankunft gerade einer alten Dame aus ihrem Seville half und mir keine besondere Aufmerksamkeit schenkte. Ich musste ein bisschen mit den Schlüsseln herumprobieren, bis ich den richtigen für die Eingangstür fand.
    Die Halle war nicht sehr groß. Einige Topfpflanzen und zwei cremefarbene Sofas standen herum, und über diesen hing ein Wandbehang. Ich studierte ihn eingehend, während ich auf den Lift wartete, und beglückwünschte mich dazu, dass ich in einem abgewohnten dreistöckigen Gebäude hauste, in dem es keine Miteigentümer gab, die über die Ausgestaltung der Halle zu befinden hatten. Hinter mir glitt die Lifttür leise zurück. Eine Frau meines Alters im Jogginganzug trat heraus, gefolgt von zwei etwas älteren Damen, die sich darüber unterhielten, wo sie zu Mittag essen wollten. Ich sah auf die Uhr: Viertel vor eins. Wieso arbeiteten diese Leute eigentlich nicht an einem ganz gewöhnlichen Dienstag? Seltsam! Ich drückte auf die 22, und der Lift trug mich rasch und geräuschlos nach oben.
    Auf jedem Stockwerk befanden sich vier Eigentumswohnungen. Champ hatte über eine Viertelmillion Dollar für seine Eckwohnung auf der Nordostseite ausgegeben. Sie war ungefähr hundertfünfzig Quadratmeter groß, mit drei Schlafzimmern und drei Bädern, eines davon - vom Hauptschlafraum zu erreichen - mit in den Boden eingelassener Wanne. Nach Norden wie nach Osten hatte man einen herrlichen Ausblick auf den Michigansee.
    Ich schloss die Wohnungstür zu Nummer 22 C auf und ging direkt ins Wohnzimmer. Der hochflorige
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