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Davina

Titel: Davina
Autoren: Anthony Evelyn
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Sasonow lebte, hatte man auch andere wichtige Flüchtlinge aus Osteuropa über Monate hinaus untergebracht, während man sie befragte. Der Flügel wurde von Angehörigen des Sicherheitsdienstes betreut, und die echten Senioren im Hauptgebäude boten eine ausgezeichnete Tarnung für die Menschen, die hier sonst ein und aus gingen. Geleitet wurde das Sanatorium von einem Arzt des Gesundheitsministeriums, dem eine ehemalige Oberschwester zur Seite stand. Die Räume, wo Davina Graham mit Sasonow wohnte, galten beim Pflegepersonal als Station für gewalttätige Patienten.
    Sie fuhr über die Auffahrt bis zum Hintereingang, der mit ›Ambulanzen‹ bezeichnet war. Dort waren vier Garagen mit dem Schild ›Arzt‹ bezeichnet. Sie parkte den Cortina in einer dieser Garagen, schloß den Wagen ab und ging zu Fuß über den Hof zu einem in die Wand eingelassenen Tor. Mit ihrem Schlüssel öffnete sie die Tür, und sie war automatisch wieder versperrt, als sie hinter ihr ins Schloß fiel. Der innere Garten war von einer roten Ziegelmauer umgeben; zwei über dem Eingang hängende Lampen beleuchteten ihre Schritte in der Dunkelheit. Sie klingelte, und ein Sicherheitsbeamter öffnete die Tür.
    »Guten Abend, Miß Graham.«
    »Guten Abend, Jim. Alles in Ordnung?«
    »Ja. Es ist aber nachts noch ziemlich kalt.«
    »Ja. Das stimmt. Hoffen wir, daß der Sommer bald kommt.«
    Er sah ihr nach, während sie durch die Eingangshalle und dann die Treppe hinaufging. Hübsche Beine, gute Figur. Immer höflich. Und etwa so zugänglich wie die streng aussehenden, steinernen Statuen draußen im Garten. Er fragte sich, wie wohl der ›Gast‹ im oberen Stock mit ihr auskam – oder auch nicht. Er dachte eine Weile über erotische Möglichkeiten nach, grinste kurz und ließ dann diese Gedanken wieder fallen. Er arbeitete seit zehn Jahren im Halldale Manor. Zu seinen Vorteilen gehörte ein nettes kleines Haus im Dorf für seine Frau und das jüngere Kind, außerdem hatte er einen Wagen zur Verfügung. Das Gehalt war ebenfalls großzügig. Er hatte seit langem jede Neugier abgelegt.
    Der Flügel bestand aus einem Wohnraum, einem kleinen Esszimmer, fünf Schlafzimmern und drei Bädern. Er war gemütlich im Landhausstil eingerichtet. Es gab eine eigene Küche und Wirtschaftsräume. Jeder Raum war mit elektronischen Abhöranlagen ausgestattet, und in dem Schlaf- und Badezimmer des ›Gastes‹ befanden sich von rückwärts durchsichtige Spiegel. Telefongespräche wurden durch eine eigene Vermittlung hergestellt und aufgezeichnet. Davina ging zuerst in ihr Schlafzimmer und rief dann die Küche an.
    »Er hat sich über den Tee beschwert«, erfuhr sie. »Ich habe Wodka und Zitrone um sechs, wie üblich, hinaufgeschickt. Er hat nach mehr verlangt, und die Karaffe kam leer wieder herunter.«
    »Ist er heute nachmittag ausgegangen?« fragte Davina.
    »Nein. Robert ist hinaufgegangen, um nachzusehen, und da saß er bloß da und schaute aus dem Fenster. Schlecht gelaunt, meinte Robert.«
    »Vielen Dank.« Davina legte auf. Alles, was Sasonow trank, wurde notiert, ebenso sein Appetit, körperliche Betätigung und der Stimmungsumschwung, wenn er allein gelassen wurde. Es war ein schlechter Tag gewesen.
    Sie sah sich rasch im Spiegel an und kämmte sich das Haar aus der Stirn. Es war zu lang, und sie konnte eine unordentliche Frisur nicht leiden. Sie hatte keine Zeit mehr, Jacke und Rock, die sie in London getragen hatte, gegen etwas anderes auszutauschen. Sie hatte einen unangenehmen Tag gehabt. Sie dachte kurz nach und rief wieder hinunter zur Küche. »Halten Sie das Essen warm, bis ich wieder anrufe.« Dann verließ sie eilends das Zimmer und begab sich den Korridor entlang in den Wohnraum. Sie öffnete die Tür und sah ihn nach vorne gebeugt in einem Sessel sitzen, er drehte ihr den Rücken zu. Seine Silhouette wirkte angespannt.
    »Hallo«, sagte sie, »ich habe mich leider verspätet. Es war furchtbar viel Verkehr.« Er drehte sich um, als sie eintrat, aber er sprach nichts. »Ich hätte gern einen Drink«, sagte sie, »lassen Sie uns beide einen nehmen.« Sie trat näher und blieb ihm gegenüber stehen. Im Kamin brannte ein Feuer. Im Raum war es warm, und die Osterglocken in den Vasen, die sie selbst arrangiert hatte, verbreiteten Helligkeit.
    Sie goß Wodka für ihn in ein Glas und drückte das kleine Stück Zitronenschale darüber aus. Er mochte kein Eis. Sie füllte ihr eigenes Glas mit Eis, damit die kleine Menge Wodka nicht zu erkennen war. Sie
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