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Davina

Titel: Davina
Autoren: Anthony Evelyn
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mir nie eine Frage gestellt. Sie hat mich einfach in die Arme genommen und die ganzen zwei Monate nur verwöhnt. Ich kam mir wie ein kleines Mädchen vor, das Masern gehabt hat.« Sie lachte. »Vielleicht hätte ich darüber sprechen sollen, aber ich wollte sie nicht beunruhigen. Ich fürchtete, sie würde das Ganze nicht verstehen und sich nachträglich noch große Sorgen machen. Ebenso wie mein Vater. Auch er war sehr lieb zu mir; ich hätte nicht sagen sollen, daß er mich nicht gern hat. Er tat wirklich sein Bestes. Er brachte mir das Frühstück ans Bett und eine Menge Rotwein, weil meine Mutter ihm gesagt hatte, ich sähe blutarm aus. Komischerweise, Sir James, war meine Schwester Charley die einzige, die mich gefragt hat, was eigentlich passiert ist. Ich wollte es ihr nicht erzählen, aber sie fragte mich immer wieder. Sie ist das hartnäckigste Wesen, das mir je begegnet ist. Und sie setzt sich immer durch. Ich habe es ihr also erzählt. Ich habe es ihr in allen Einzelheiten erzählt. Und wissen Sie, was sie tat?«
    »Nein«, erwiderte er. »Was tat sie?«
    »Sie brach in Tränen aus«, sagte Davina. »Sie schlug die Arme um mich und weinte wie ein kleines Kind. Schließlich war ich es, die sie trösten mußte. Also gut – ich bin jetzt wieder da und langweile mich. Wann lassen Sie mich wieder arbeiten?«
    »Gerade diesen Punkt wollte ich mit Ihnen besprechen«, sagte James White. »Ich dachte, das ließe sich am besten bei einem gemütlichen Essen erledigen. Sie sehen zwar gut aus, aber Sie machen einen niedergeschlagenen Eindruck. Habe ich recht?«
    Sie richtete sich auf. »Nicht im geringsten. Bitte, wir haben die psychiatrische Behandlung hinter uns gebracht. Hoffentlich verfolgt mich diese Angelegenheit nicht bis an mein Lebensende.«
    »Keineswegs«, antwortete er. »Aber warum sind Ihre Augen voller Tränen, wenn Sie nicht deprimiert sind? Nehmen Sie Ihr Taschentuch, Davina, und seien Sie nicht albern. Sie sind nicht der einzige Mensch auf der Welt, der nicht glücklich ist.«
    »Das weiß ich«, sagte sie. »Glauben Sie mir, ich bin so wütend auf mich selbst – ich hasse Selbstmitleid. Ich muß nur irgend etwas tun, um auf andere Gedanken zu kommen.«
    »Genau das gleiche hat Sasonow auch gesagt.« Er sagte es wie nebenbei. Er sah, wie ihr Gesicht von einer tiefen Röte überzogen wurde. »Er klagt über Langeweile und ist rastlos. Seine Tochter und dieser junge Poliakow haben übrigens geheiratet. Ich glaube, die beiden fehlen ihm.«
    »Ja.« Sie öffnete Ihre Handtasche und suchte nach Feuerzeug und Zigaretten. »Das habe ich erwartet … Und keine Nachricht von seiner Frau? Dieser Gedanke verfolgt mich … Jetzt, wo ich weiß, was die Leute dort drüben mit Menschen anstellen können.«
    »Wir wissen tatsächlich etwas Neues«, fuhr er fort. »Würden Sie mit dem Rauchen vielleicht noch so lange warten, bis wir unseren Kaffee trinken? Vielen Dank – im Speiseraum des Klubs ist man noch etwas altmodisch. Ja, wir wissen etwas Neues, wie ich schon sagte. Sie wurde aus der Haft entlassen und wird offenbar sehr gut behandelt. Es dauerte einige Zeit, bis uns die Meldung erreichte, aber man hat sie offenbar sehr großzügig entschädigt. Sie steht auf der so genannten Sonderliste des KGB. Das bedeutet, daß sie sich unter dem Schutz des KGB befindet, und wehe demjenigen, der ihr auch nur einen Zettel wegen Falschparkens anheftet. Eine Ausreise kommt für sie natürlich nicht in Frage. Wir werden sie wissen lassen, daß es ihrer Tochter gut geht, und zwar auf demselben Umweg, über den wir diese Meldung erhalten haben. Also brauchen Sie sich über sie keine Sorgen mehr zu machen. Es ist uns gelungen, Sasonows Gemüt zu beschwichtigen.«
    »Darüber bin ich sehr froh«, sagte Davina. »Sir James, Sie haben meine Frage noch nicht beantwortet. Wann kann ich wieder mit der Arbeit anfangen?«
    »Überhaupt nicht«, sagte er. »Es sei denn, Sie zerreißen dies hier.« Er schob Ihr den Umschlag hin, und ihre Hand zitterte, als sie ihn öffnete. »Nach Paragraph 4, Absatz 21, verpflichte ich, Davina Claire Graham, mich feierlich, den Betreffenden nie wieder zu sehen oder mit ihm in Verbindung zu treten oder andere zu veranlassen, die Verbindung mit ihm aufzunehmen …« Sie sagte zu ihm mit brechender Stimme: »Was meinen Sie? Um Gottes willen, was meinen Sie damit, zerreißen Sie es …«
    »Ich will damit sagen, daß Sie Ihren alten Arbeitsplatz nicht wiederbekommen können, wenn wir uns nicht von
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