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Alix ... : Historischer Roman (German Edition)

Alix ... : Historischer Roman (German Edition)

Titel: Alix ... : Historischer Roman (German Edition)
Autoren: Helene Luise Köppel
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1.

    Im Jahr 1202 nach der Fleischwerdung des HERRN ...

    Düster starrte Alix vor sich hin. Das Schaukeln der offenen Pferdesänfte machte sie ganz krank, obendrein war es so heiß, dass ihr von dem Blütenkranz auf dem Haar bereits die ersten Blätter in den Schoß fielen. Am liebsten wäre sie wie Estrella geritten, hätte sich den Wind um die Ohren wehen lassen, doch der Bischof hatte verboten, dass sie mit ihrer Dame die Plätze tauschte. Er befürchtete wohl, sie ergriffe ein weiteres Mal die Flucht, womit er ausnahmsweise recht hatte. Nichts lieber als das!
    Wenn nur seine Augen nicht wären, dachte sie, als sie durch einen merkwürdig stillen Wald kamen, die hohen Stämme der Bäume weiß von Flechten. Diese unheimlichen, milchblauen, weit hervortretenden Augen, mit denen er sie jedes Mal, wenn sie sich nach ihm umdrehte, regelrecht verschlang, und die sie sowieso am liebsten mied, nachdem sie einmal beobachtet hatte, dass sie nicht frei waren von gemeinen Blicken. Aber davon hatte sie der Schwester nichts erzählt. Inés sollte sich keine unnötigen Sorgen machen.
    Alix sah auf ihren heruntergerissenen Gewandsaum und den nackten rechten Fuß hinab. Bartomeu von Cahors hatte ihr mit den scharfen Worten „Keine weitere Verzögerung!“, verboten, den verlorenen Schuh zu suchen. Sollte sie vielleicht wie die Sünderin Maria Magdalena daherkommen, wenn sie Cahors erreichten? Oh, heilige Jungfrau von den Tischen, dachte das Mädchen verzweifelt, wie wäre es, wenn der Bischof den Schlagfluss erlitte, bevor ...
    Als ob er ihre sündhaften Gedanken gelesen hätte, hörte sie ihn hinter sich laut auflachen.
    Neugierig drehte sie sich um, wobei die Sänfte ins Schwanken geriet. Der Maure, der sich an seiner Seite befand, machte Estrella ein Zeichen. Sofort kam die Kastilierin zu ihr geritten, um zu fragen, ob es ihr an etwas fehlte. Als ob ausgerechnet sie ihr hätte helfen können, die mit der Mutter unter einer Decke steckte und obendrein bei jeder Kleinigkeit in Ohnmacht fiel. Nein, mit der bösen Geschichte, in der sie - zugegeben - auch aus eigener Schuld steckte, musste sie schon selbst fertig werden.
    Dass alles erst am Tag zuvor ins Rollen gekommen war, konnte Alix kaum glauben. Es war ein flirrender Spätsommertag gewesen. Die tiefe Trauer, die nach dem Tod des Vaters in Montpellier herrschte, schien sich allmählich zu legen. Es wurde wieder gelacht und gescherzt im „Turm“ - wie man die Burg des Herrn nannte. Und hätte sich an diesem Tag der vermeintlichen Wende zur Normalität einer der zahlreichen Geschichtenerzähler oder Wahrsager dort eingefunden und Alix einen Blick in die Zukunft erlaubt, so wäre ihm seine düstere Schilderung ganz sicher als blanke Fabuliererei ausgelegt worden. Das Mädchen hätte nur schallend gelacht und gemeint: „Guter Mann, Euch geht wohl vom vielen Wein die Zunge auf Stelzen. Ich bin die zukünftige Vizegräfin von Carcassonne, da beißt die Maus keinen Faden ab!“
    Das hatte sie auch stolz der Mutter entgegengehalten, als diese ihre beiden Töchter plötzlich zu sich rief, um mit ihnen ernsthaft über die Zukunft zu reden:
    „Nichts da, der Herr Vater hat mich auserwählt!“ Eisern hielt Alix dem mütterlichen Blick stand, was das Brechen einer der Regeln bedeutete, die die Herrn von Montpellier für ihre Kinder aufgestellt hatte: In ihrer oder des Bischofs Anwesenheit waren die Augen stets niederzuschlagen.
    „Hörst du nicht zu?“, herrschte Doña Agnès sie an. „Der Kontrakt ist hinfällig! Inés wird den Vizegrafen heiraten, nicht du! Sie ist die Glaubensfestere von euch beiden, schließlich gilt es, in ein elendes Ketzernest zu ziehen, und ...“
    In höchster Erregung fiel Alix der Mutter ins Wort - ein neuerlicher Verstoß gegen die Regeln: „Carcassonne, ein Ketzernest? Aber ...“
    „Kein Disput“, schnitt die Herrin, eine hagere, kalte Frau, ihrerseits der Tochter das Wort ab.
    „Die Sache ist geregelt. Du reitest mit dem Bischof nach Cahors, lebst zukünftig in aller Schicklichkeit an seinem Hof, während deine Schwester im Kloster auf ihr Leben in Carcassonne vorbereitet wird.“
    Alix glaubte, vor Schreck tot umfallen zu müssen. „Wie? Mit dem ´Cahors` soll ich ziehen?“, stieß sie hervor, während Inés, die mit hochrotem Kopf und verwirrter Miene neben ihr stand, mit den Tränen kämpfte.
    „ Der Cahors ?“ Doña Agnès schwarze Augen funkelten vor Zorn. „Höre ich recht, Alix? Du wagst es, Seine Bischöflichen Gnaden so schmachvoll
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