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DavBen-StaderDie

Titel: DavBen-StaderDie
Autoren: Unbekannt
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Schachspieler. Nur eine Stufe unter Capablanca ... Capablanca ist Mozart, ein absolutes Genie; man kann Schach nicht lieben, ohne Capablanca zu lieben. Aber Lasker, keiner ist im Endspiel besser. Hast du was zu essen?«
    »Nein.«
    »Halt die Hand auf.«
    Das schien mir eine Falle zu sein, ein Streich, wie ihn Kinder spielen, um Einfaltspinsel reinzulegen. Er würde mir auf die hohle Hand schlagen oder sie einfach in der Luft hängen lassen, bis ich meine Dummheit erkannte. Aber wenn man etwas zu essen angeboten bekam, und sei es noch so unwahrscheinlich, dann schlug man es nicht aus, und so hielt ich die Hand in die Dunkelheit und wartete. Im nächsten Moment lag etwas Kaltes und Fettiges in meiner hohlen Hand. Ich weiß nicht, wie er meine Hand fand, aber er fand sie, ohne herumzutasten.
    »Wurst«, sagte er. Und dann, nach kurzer Pause: »Keine Sorge. Es ist kein Schweinefleisch.«
    »Ich esse Schweinefleisch.« Ich schnupperte an der Wurst und biss dann ein wenig davon ab. Sie war von richtigem Fleisch ebenso weit entfernt wie Brot auf Marken von richtigem Brot, aber es war Fett drin, und Fett war Leben. Ich kaute so bedächtig, wie ich nur konnte, auf dem Stückchen herum, um möglichst viel davon zu haben.
    »Kau nicht so laut«, wies er mich tadelnd aus der Dunkelheit zurecht. Ich hörte, wie ein Bettrost quietschte, als er sich auf eine der unteren Pritschen setzte. »Und im Übrigen sagt man Danke.«
    »Danke.«
    »Gern geschehen. Wie heißt du?«
    »Lew.«
    »Und weiter?«
    »Was geht das dich an?«
    »Das gehört sich nun mal«, sagte er. »Schau, wenn ich mich vorstelle, sage ich: >Guten Abend, mein Name ist Nikolai Alexandrowitsch Wlassow, meine Freunde nennen mich Kolja<.«
    »Du willst ja bloß wissen, ob ich einen jüdischen Namen habe.«
    »Und, hast du?« »Ja.«
    »Ah.« Er seufzte zufrieden, glücklich, dass sein Instinkt ihn nicht getrogen hatte. »Vielen Dank. Ich weiß gar nicht, warum du solche Angst hast, es zuzugeben.«
    Ich gab keine Antwort. Wenn er das nicht selbst wusste, war es zwecklos, es ihm zu erklären.
    »Und warum bist du hier?«, fragte er.
    »Sie haben mich erwischt, als ich in der Woinowa Uliza einen toten Deutschen ausgeplündert habe.«
    Das alarmierte ihn. »Die Deutschen sind schon in der Woinowa? Dann hat es also angefangen?«
    »Nix hat angefangen. Es war ein Bomberpilot. Er ist mit dem Fallschirm abgesprungen.« »Hat ihn die Flak erwischt?«
    »Die Kälte hat ihn erwischt. Und warum bist du hier?« »Aus purer Idiotie. Die halten mich für einen Deserteur.« »Warum haben sie dich dann nicht erschossen?«
    »Und warum haben sie dich nicht erschossen?«
    »Keine Ahnung«, räumte ich ein. »Sie haben gesagt, ich sei was für den Oberst.«
    »Ich bin kein Deserteur. Ich bin Student. Ich war gerade dabei, meine Dissertation zu verteidigen.«
    »Wirklich? Deine Dissertation?« Das klang wie die dümmste Ausrede in der Geschichte der Fahnenflucht.
    »Eine Interpretation von Uschakowos Der Hofhund aus Sicht der zeitgenössischen soziologischen Analyse.« Er wartete darauf, dass ich etwas sagte, aber mir fiel nichts dazu ein. »Kennst du das Buch?«
    »Nein. Uschakowo?«
    »Zum Heulen, wie schlecht unsere Schulen geworden sind. Man hätte dich ganze Passagen auswendig lernen lassen müssen.« Er klang wie ein schrulliger alter Professor, dabei hätte ich ihn, nach dem einen kurzen Blick, den ich von ihm erhascht hatte, eher für zwanzig gehalten. »>Im Schlachthaus, wo wir uns das erste Mal küssten, stank es noch nach dem Blut der Lämmer. < Der erste Satz. Manche sagen, es sei der größte russische Roman. Und du hast noch nie davon gehört.«
    Er seufzte übertrieben. Einen Augenblick später hörte ich ein merkwürdiges kratzendes Geräusch, als würde eine Ratte ihre Krallen am Drillich der Matratze schärfen.
    »Was ist das?«, fragte ich.
    »Hm?«
    »Hörst du das nicht?«
    »Ich schreibe was in mein Tagebuch.«
    Ich konnte mit offenen Augen nicht weiter sehen als mit geschlossenen, und der schrieb Tagebuch. Erst da merkte ich, dass es das Kratzen eines Bleistifts auf Papier war. Nach einigen Minuten wurde das Tagebuch zugeklappt, und ich hörte, wie er es in die Tasche stopfte.
    »Ich kann im Dunkeln schreiben«, sagte er und unterstrich den Satz mit einem leichten Rülpser. »Eines meiner vielen Talente.«
    »Notizen zu Der Hofhund?«
    »Ganz genau. Was sagst du zu dieser Stelle? Kapitel sechs: Radtschenko verbringt einen Monat im Kresty, weil sein früherer bester
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