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Das zarte Gift des Morgens

Das zarte Gift des Morgens

Titel: Das zarte Gift des Morgens
Autoren: Tatjana Stepanova
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hat Angst, verstehst du? Das konnte man auf den ersten Blick sehen – sie hat Angst um ihr Leben. Sie fühlt sich bedroht – auch wenn das vielleicht nur ein Gefühl ist, weibliche Intuition sozusagen . . . Wir hatten damals ja noch nicht die Aussagen von Simonow und waren überzeugt, dass das erste Verbrechen sich gegen Maxim Studnjow richtete. Auch jetzt haben wir keine absolute Gewissheit, dass Simonow uns die Wahrheit gesagt hat, trotzdem . . .«
    »Trotzdem hast du Gussarow erklärt, dass nicht Studnjow, sondern Aurora ermordet werden sollte«, bemerkte Katja.
    »Ich wollte einfach seine Reaktion sehen. Er hat sich allerdings nichts anmerken lassen. Aber es stimmt nicht, dass wir keine Beweise gegen ihn haben. Wir haben zum Beispiel die Drohung, die er gestern gegen Aurora ausgesprochen hat und die wir auf Band aufgezeichnet haben. Und dann dieser Anruf im Restaurant. Was immer er uns gestern darüber erzählt hat -alle Zeugen versichern, dass er Aurora bedroht hat.«
    »Weißt du, ich habe über diesen Anruf nachgedacht«, sagte Katja. »Mir kommt das alles reichlich theatralisch vor. Der Anruf hat den Abend gewissermaßen in zwei Teile zerschnitten, ein Vorher und ein Nachher. An Gussarows Anruf haben sich alle, die an jenem Abend im Restaurant waren, erinnert. Da stimmen alle Aussagen überein. Aber was bei Tisch vor diesem Anruf geschah und was nachher – da erzählt jeder etwas anderes. Ich weiß nicht, ist es ein Zufall oder nicht, aber der Anruf war ein Ereignis, das die allgemeine Aufmerksamkeit abgelenkt hat, verstehst du? Abgelenkt von dem, was gleichzeitig am Tisch passierte . . . Und später gab es ja auch noch Telefonanrufe.« Katja sah Kolossow nachdenklich an. »Erinnerst du dich, du hast gesagt, ihr hättet Studnjows Handy beschlagnahmt und du hättest es eingeschaltet gelassen?«
    »Ja, und dann hat Aurora angerufen, am Montagmorgen.«
    »Und davor auch, weißt du noch? Du hast mir gesagt, es gab einen Anruf, aber der Anrufer wollte mit dir nicht sprechen und hat sofort wieder aufgelegt.«
    »Richtig, das war Samstagvormittag, ich habe mir damals für alle Fälle sogar noch die Zeit notiert.« Kolossow holte sein Notizbuch heraus. »11.20 Uhr.«
    »Es kann sich natürlich jemand verwählt haben.« Katja malte Schnörkel auf ein Blatt Papier. »Aber wenn nun jemand am Samstagmorgen kontrollieren wollte, ob Studnjow noch am Leben war oder nicht? Und dann habe ich mir noch überlegt: Wenn Simonow uns die Wahrheit gesagt hat und wirklich Aurora vergiftet werden sollte – was dann? Wie passen die Ereignisse dann zusammen? Gussarows unerwarteter Anruf hat die Tischgesellschaft durcheinander gewirbelt. Alle sitzen gemütlich zusammen, essen, trinken, schwatzen, und da kommt plötzlich dieser Anruf, Aurora erschrickt, springt auf und läuft weg, und von da an geht es drunter und drüber. Die Kellnerin Worobjowa bringt das von Aurora bestellte Tajin, aber in dem Tumult bemerkt niemand außer Simonow und vermutlich Mochow, dass anstelle Auroras Studnjow von dem Tajin isst. Niemand sonst interessiert sich dafür – die Atmosphäre ist gespannt, Aurora bei ihrer Rückkehr hysterisch. Alle wollen sie beruhigen . . .«
    »Was willst du mir eigentlich sagen?«
    »Dass am Tisch völliges Durcheinander herrschte. Und dass in diesem Durcheinander vielleicht auch der Mörder abgelenkt worden ist und nicht mitbekommen hat, wer von dem vergifteten Gericht gegessen hat. Hast du dich auch mal bei Aurora erkundigt, ob sie am Samstagvormittag angerufen worden ist?«
    »Nein. Danach habe ich sie nicht gefragt. Ich wollte von ihr wissen, ob sie selbst am Wochenende bei Studnjow angerufen hat, sie hat gesagt, nein.« Kolossow stand auf. »Ich hatte sowieso vor, mich heute noch mal mit ihr zu treffen. Ich habe ihr versprochen, mich mit ihr in Verbindung zu setzen, sobald wir ihren Ex-Mann vernommen haben.«
    »Von Simonows Aussage weiß sie nichts?«, fragte Katja.
    »Nein. Meinst du, ich sollte es ihr sagen? Und auch, dass Mochow tot ist? Wir ängstigen sie ja immer mehr.«
    Katja schwieg. Dann seufzte sie. Kolossow seufzte auch: Dieser verteufelte Fall . . . Wie soll man vorgehen, was ist richtig, was falsch?
    »Bist du heute Abend auch noch hier?«, fragte Nikita, als er schon in der Tür stand.
    »Wo sollte ich sonst hin?«
    »Dann verabschiede ich mich noch nicht. Wir sehen uns heute Abend.«
    Katja nickte.
    Das Haus, in dem Aurora wohnte, fand Kolossow ziemlich schnell, obwohl er in dieser Gegend noch nie gewesen
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