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Das zarte Gift des Morgens

Das zarte Gift des Morgens

Titel: Das zarte Gift des Morgens
Autoren: Tatjana Stepanova
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ich riskier’s! »Es ist ein Zeuge aufgetaucht, der behauptet, bei dem Essen im ›Al-Maghrib‹ sollte nicht Maxim Studnjow vergiftet werden, sondern Sie.«
    »Wer sagt das?«
    Kolossow sah sie an – wieder ging eine frappierende Veränderung in diesem von Fotos und Fernsehen so gut bekannten Gesicht vor sich. In Auroras Zügen malte sich Furcht und ein noch viel stärkeres Gefühl als bloße Furcht.
    »Ich darf Ihnen den Namen des Zeugen nicht sagen«, erwiderte er. »Aber wir überprüfen seine Aussagen sorgfältig.«
    »Was gibt es da zu überprüfen? Ich habe es gespürt. . . Ich wusste es.« Aurora ballte ihre Fäuste. »Von Anfang habe ich gespürt, dass . . . Ich habe Angst. Und Max – was ist mit Max? Und Petja Mochow? Was hat er mit all dem zu tun? Warum ist er ermordet worden?«
    »Wir klären das auf.«
    »Sie klären schon viel zu lange auf.« Ihre Stimme klang dumpf und feindselig. »Warum haben Sie ihn nicht verhaftet?«
    »Wen?«
    »Meinen Mann!« Ihre Augen funkelten.
    »Wir können ihn nicht verhaften. Noch nicht. . . Sie müssen jetzt ruhig bleiben. Denken Sie an Ihre Kinder. Und außerdem können Sie sich in einem solchen Zustand nicht ans Steuer setzen.«
    »Haben Sie Zigaretten dabei?«, fragte Aurora.
    »Nehmen Sie sie aus meiner Hosentasche, dort steckt auch das Feuerzeug. Meine Hände sind voller Öl.« Kolossow zog gerade die Schrauben an dem eingesetzten Reserverad fest.
    Aurora »filzte« ihn und zündete sich eine Zigarette an.
    »Ich habe eine Frage an Sie. Können Sie sich erinnern, ob jemand Sie am Samstagvormittag nach dem Essen im ›Al-Maghrib‹ angerufen hat?«, fragte Nikita.
    »Was?« Sie zog an ihrer Zigarette und war in Gedanken offensichtlich ganz woanders. »Nein, das weiß ich nicht mehr.«
    »Bitte denken Sie nach. Es ist wichtig.«
    »Mich rufen viele Leute an.«
    »Trotzdem. Vielleicht hat Sie jemand mit seinem Anruf geweckt?«
    »Ja, das stimmt, da war ein Anruf. . . vom Fernsehen wegen eines Werbeclips, oder nein, das war an einem anderen Tag.« Aurora war sichtlich nervös. »Irgendeine Zeitung hat angerufen. Mein Gott, mich belästigen ständig irgendwelche Idioten am Telefon!«
    Nikita wartete, aber sie sprach nicht weiter.
    »So, das wär’s, jetzt haben Sie ein neues Rad.« Er stand auf und wischte sich die Hände ab. »Ohne Reserverad zu fahren ist riskant. Müssen Sie weit weg?«
    »Nein, nicht weit, es geht um eine Wohnung.« Aurora seufzte schwer auf. »Ich muss ja endlich zu einem Entschluss kommen. Der Sommer ist bald vorbei.«
    »Gestern haben wir über verschiedene Themen gesprochen«, sagte Kolossow. »Mir ist aufgefallen, dass Ihr Mann besonders gereizt und aggressiv auf Ihre finanziellen Ansprüche reagiert.«
    »Ich will nichts von ihm haben. Ich verzichte auf alles und ziehe die Klage zurück.«
    »Ihr Mann behauptet, Sie verfügten über eigene Mittel, die Sie in das Restaurant ›Al-Maghrib‹ investiert hätten«, fuhr Nikita fort und beobachtete ihre Reaktion.
    »Das geht ihn nichts an«, sagte Aurora scharf. »Ich danke Gott, dass ich seinerzeit auf meine Freunde gehört habe und nicht auf ihn. Sonst stünde ich mit meinen Kindern jetzt auf der Straße.«
    »Im Haus Ihres Mannes wohnt eine gewisse Polina. Kennen Sie sie?«
    »Der hatte früher jede Woche eine neue Polina.« Aurora öffnete die Wagentür und zog ihre ausgelassen herumtobenden Kinder aus dem Auto. »So, genug gespielt und gesteuert, das Abendessen steht bestimmt längst auf dem Tisch . . . Sie entschuldigen«, wandte sie sich an Kolossow, »aber ich muss jetzt wirklich los. Danke für das Rad.«
    »Aber das ist nicht alles, unser Gespräch ist noch nicht zu Ende.«
    »Ich muss jetzt fahren, ich werde erwartet.« Sie versuchte ihn entschieden, fast schon feindselig abzuwimmeln. »Sie haben schon mehr als genug gesagt, es reicht mir. Mal raten Sie mir wegzufahren, dann wieder, vorsichtig zu sein . . .« Sie blickte Kolossow an und rief plötzlich zornig: »Ich hatte gehofft, dass Sie zumindest nach Petjas Tod meinen übergeschnappten Mann hinter Gitter bringen würden! Aber offenbar wollen Sie ja warten, bis er endlich auch mich vergiftet hat!«
    »Unser Gespräch ist noch nicht beendet«, wiederholte Nikita. »Beruhigen Sie sich. Ich verstehe, wie Ihnen zumute ist. Aber Sie müssen uns glauben – wir versuchen, Ihnen zu helfen.«
    Sie sah ihn nicht an. Schließlich sagte sie leise: »Entschuldigen Sie. Meine Nerven . . . Wir können morgen miteinander sprechen. Kommen Sie
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