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Das Wrack

Titel: Das Wrack
Autoren: Friedrich Gerstäcker
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darüber bestimmte Auskunft hätte geben können, lag noch bewusstlos in seiner Koje oder durfte doch wenigstens heute nicht mehr mit Fragen gequält werden.
    Am nächsten Morgen hatte er sich allerdings merklich erholt. Er lag wach auf seinem Bett und drückte leise Kapitän Wilkies Hand, als dieser zu ihm kam, um zu sehen, wie es ginge. Aber sprechen konnte er noch immer nicht, und Kapitän Wilkie hatte auch heute wirklich zu viel zu tun, um an etwas anderes zu denken als an sein Schiff.
    Das fremde Fahrzeug war noch in der Nacht bis auf den Wasserspiegel niedergebrannt, und nicht einmal mehr aufsteigender Rauch verriet die Stelle, wo es lag.
    Der Anker wurde aufgeholt, die Rahen angebrasst, und die Betsy Ann kam langsam unterwegs, um ihren Lauf zwischen den wunderlichen Windungen von Klippen und Inseln hin zu nehmen, welche die Torresstraße durchschneiden. Die Brise hatte aber tüchtig aufgefrischt, und wenn auch nur vor den beiden Marssegeln, um nicht zu raschen Fortgang zu machen und doch vielleicht eine unter Wasser versteckte Klippe anzulaufen, legten sie ein so tüchtiges Stück zurück, dass sie Nachmittags um vier Uhr, wo sie wieder ankern mussten, schon in Sicht von Kap York, der Nordspitze Australiens kamen.
    Der Kranke, der übrigens eine eiserne Konstitution zu haben schien, sonst hätte er auch wohl nie die erlittenen Misshandlungen ausgehalten, erholte sich bis dahin wenigstens so weit, dass er doch wieder ordentliche Nahrung zu sich nehmen konnte. Seine Verwundungen schienen überdies nur leicht, und die schwerste zeigte sich am Kopf – es war ein Hieb mit einem scharfen Instrument, den er dort bekommen und der ihn damals wohl betäubt haben mochte, aber weiter sein Leben nicht gefährden konnte. – Zum Erzählen war er aber immer noch zu schwach, und Kapitän Wilkie besaß zu viel Zartgefühl, ihm jetzt, in seinem doch noch immer bedenklichen Zustand, peinliche Erinnerungen zu früh in der Seele wachzurufen.
    Der Betsy Ann ankerte diesen Abend unmittelbar in der Nähe einer kleinen, mit Büschen bewachsenen Insel; man konnte die australische Küste deutlich zu ihrer Linken liegen sehen. Das Land war dicht bewachsen, aber nur von Wilden bewohnt.
    Am nächsten Morgen hatten sie etwa eine Seemeile zurückgelegt, als sie vor sich im Fahrwasser einen dunkeln Punkt entdeckten, der einer Klippe nicht unähnlich sah.
    Die Marssegel wurden losgeworfen, dass das Schiff nur ganz unbedeutenden Fortgang machte, und so näherten sie sich langsam der gefürchteten Stelle – aber es war kein Fels, der ihnen hier die Durchfahrt verwehrte oder auch nur gefährdete, sondern nichts als der Überrest eines zertrümmerten Schiffsbootes, das umgeworfen und mit dem zersplitterten Kiel nach oben auf dem Wasser lag.
    Kapitän Wilkie ließ seine Jolle nieder, um wenigstens den Namen des Bootes zu lesen, da diese gewöhnlich den ihres Schiffes führen. Der Steuermann war mit hineingestiegen und rief, wie er nur das kleine Wrack erreicht hatte, schon hinter seinem indes vorbeisegelnden Schiff her: » The Meisje van Utrecht, Kapitän!«
    Das musste das Boot sein, auf dem sich die Mannschaft des gestrandeten Schiffes gerettet und dann hier in der Straße, Gott weiß durch welchen Unfall, ihr Ende gefunden hatte. Möglich, dass die Schwarzen das Boot mit ihren Kanus überfallen, denn in dieser Jahreszeit schwärmen sie gern in der Torresstrait und liegen dem hier sehr ergiebigen Fischfang ob – möglich, dass es auf einen der heimtückischen Felsen gerannt, die an vielen Stellen wie einzelne Kegel aus der Tiefe des Wassers ragen. Was aber auch immer die Ursache gewesen sein mochte, die Leute waren jedenfalls verloren, denn an dieser Küste gab es keine Rettung für sie.
    Mit den Überresten des zersplitterten Bootes ließ sich übrigens nichts anfangen, und als der Kapitän, backgebrasst, sein eigenes Boot erwartet und die Leute wieder an Bord genommen hatte, setzte die Betsy Ann ihre unterbrochene Fahrt fort.
    Drei Tage vergingen so. Die Brigg hatte die Gefahren der Torresstrait hinter sich und segelte lustig in dem ruhigen Wasser des Indischen Ozeans dahin, als sich der Kranke endlich so weit erholt hatte, dass er Aufschlüsse über sich und sein verlorenes Schiff geben konnte.
    Er war, wie der Steuermann längst vermutet, der Kapitän desselben gewesen, und eine jener furchtbaren Szenen hatte sich an Bord abgespielt, wie sie so oft schon auf See Menschen zu Hyänen gemacht und den reinen Ozean mit Blut gefärbt.
    Der
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