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Das Wrack

Titel: Das Wrack
Autoren: Friedrich Gerstäcker
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fortgenommen und unter Menschen gebracht zu werden?«
    »Und wer sagt Euch, dass ich wieder unter Menschen will?«, erwiderte der Bursche und schoss einen Blick voll Hass und Gift auf den Seemann.
    »Nun bei Gott, das ist zu toll«, lachte der Steuermann laut auf. »Aber komm, John – wir dürfen uns nicht länger mit dem Patron aufhalten. Es wird dunkel und wir wollen doch erst einmal sehen, ob wir nicht wenigstens die Bücher bei Tageslicht finden können.«
    »Steuermann«, sagte der Bootsmann, der den Kopf wieder zur Tür hereinsteckte, »hier an Bord ist faul Spiel gewesen. An Deck sind eine Menge Blutflecken – wohl ein bisschen abgescheuert, aber doch nicht ganz vertilgt.«
    »Aha, mein Bursche – ob ich mir nicht so etwas gedacht habe. Wie sieht's mit dem Wasser aus, Bootsmann?«
    »Es steht Wasser im Raum, aber das Schiff sitzt auf den Korallen auf und kann nicht wegsinken.«
    »Gut denn, so helft einmal hier die Kajüten revidieren«, und mit den Worten wollte er nach der Tür zu, die er, mit der Einrichtung derartiger Schiffe vollkommen vertraut, für die Kapitänskajüte hielt, als der bisherige Bewohner des Schiffes mit einem wahren Wutgebrüll aufsprang, sich zwischen ihn und die Tür warf und in demselben Augenblick auch aus seinem Gürtel, oder wo er sie sonst herbekommen, eine der gewöhnlichen Schiffspistolen riss und sie dem Mate entgegenhielt. Aber es war nur ein Moment. Der Bootsmann hatte, wie nur der unheimliche Gesell die erste rasche Bewegung machte, schon die noch neben der Tür lehnende Handspake aufgegriffen, und wenn er sie in dem niedrigen Kajütenraum auch nicht zum Dreinschlagen gebrauchen konnte, fasste er sie doch mit beiden Händen und warf sie blitzschnell, wie eine Harpune, mit solcher Kraft gegen den Feind an, dass dieser davon zurücktaumelte. Allerdings drückte er noch im Fallen die Pistole ab, aber die Kugel schlug in die Deckbalken, und in demselben Moment kniete auch schon John auf seiner Brust und riss ihm die Waffe aus der Hand.
    Es entstand jetzt ein kurzes Ringen. Wenn der finstere Gesell aber auch fast riesige Kräfte zeigte und wie ein Rasender selbst mit den Zähnen seine Angreifer zu fassen suchte, war er den drei kräftigen Männern doch nicht gewachsen, und wie die beiden anderen Leute von der Betsy Ann, durch den Schuss herbeigerufen, in die Kajüte stürzten, befand er sich schon macht- und widerstandslos in der Gewalt seiner Gegner.
    Seeleute haben dabei immer die Taschen voll kurzer Enden Schnüre und Leinen, und wenige Minuten später hatten sie den rätselhaften Burschen, dessen Betragen sich noch keiner zu erklären wusste, festgebunden und wenigstens vor der Hand unschädlich gemacht. Zuleide wollten sie ihm ja auch gar nichts tun; er sollte ihnen nur nicht im Wege sein.

5. Eine Entdeckung
    In der Kajüte sah es indessen wild genug aus, denn in dem Kampf waren Flaschen und Gläser natürlich von dem am Boden festgeschraubten Tisch hinuntergeworfen, und die Stühle lagen zerstreut umher. Es war auch indessen schon fast dunkel geworden, und nur noch ein schwaches Dämmerlicht fiel, als die Sonne hinter dem Horizont versunken war, durch das Skylight. Die indessen aufgefundenen Schiffslaternen wurden aber jetzt angezündet, und während der Steuermann einen der Leute als Wache bei dem Gebundenen ließ, ging er jetzt selber daran, die Kapitänskajüte zu revidieren, um in den möglicherweise dort vorgefundenen Büchern, wenn nicht Auskunft über den jetzigen Zustand des Schiffes, doch jedenfalls Genaueres über dasselbe zu erfahren.
    Die Tür war verschlossen, aber viel Zeit blieb ihnen nicht, um nach dem Schlüssel zu suchen, den der Gebundene keinesfalls gutwillig hergegeben hätte. Die Handspake musste deshalb auch hier wieder helfen, und nach ein paar Stößen wich denn auch das sonst gut und stark gearbeitete Messingschloss.
    Der Steuermann hatte die Laterne aufgegriffen und trat, sie hoch in der linken Hand haltend, in die Tür.
    »Alle Teufel!«, rief er aber auch in demselben Augenblick schon erschreckt aus; denn der Zustand, in dem er diese Koje traf, verriet ein hier verübtes Verbrechen.
    Die Matrosen drängten rasch herbei, und es blieb kein Zweifel, dass hier eine Untat verübt worden. Das Bett, in dem der Kapitän früher geschlafen, war mit großen Blutflecken bedeckt, die Decke – ebenfalls mit den roten unheimlichen Spuren daran – hinabgeworfen und lag am Boden. Eine Art von Sekretär, der in dem kleinen Raum stand, war erbrochen und der
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