Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Das Wörterbuch des Viktor Vau

Titel: Das Wörterbuch des Viktor Vau
Autoren: Gerd Ruebenstrunk
Vom Netzwerk:
nicht«, korrigierte Winter seinen Gesprächspartner.
    Â»Nun fangen Sie nicht auch noch an!« Fitzsimmons legte eine kleine Pause ein. »Was haben Sie eigentlich die ganzen Tage gemacht?«, fragte er dann lauernd.
    Â»Nichts Besonderes. Ich habe mir ein paar Museen angesehen und einige alte Freundschaften aufgefrischt.«
    Â»Und jetzt reisen Sie zurück und beichten Ihrem Präsidenten, dass der einzige Erfolg Ihrer Mission eine hohe Spesenrechnung war? Kommen Sie, alter Junge, das nehme ich Ihnen nicht ab.«
    Winter lachte. »Sie kennen mich zu gut, Roderick. Ich gestehe, ich habe mich noch einmal mit Frau Apostolidis unterhalten, Vaus Assistentin. Sie hat mir berichtet, Ihre Männer hätten in Vaus Klinik alles mitgehen lassen, was nicht fest vermauert war.«
    Â»Nur leider sind wir dadurch auch nicht schlauer geworden. Bis auf ein experimentelles Medikament, das unsere Chemiker derzeit untersuchen. Vielleicht können wir daraus wenigstens ein wenig Nutzen ziehen.«
    Â»Sehen Sie, da hat Ihnen die Sache doch noch was gebracht. Sie haben das Medikament, Armand den Kristall, und der Einzige, der mit leeren Händen dasteht, bin ich.«
    Â»Das klingt ja beinahe so, als würde es Ihnen nichts ausmachen. Da ist doch etwas faul, das spüre ich sogar durch die Telefonleitung.«
    Â»Wir sprechen drahtlos miteinander, Roderick«, korrigierte ihn Winter.
    Â»Machen Sie keine Witze«, polterte Fitzsimmons. »Und ich werde herausbekommen, was Sie mir verheimlichen, verlassen Sie sich drauf.«
    Â»Sie würden nicht viel erfahren, glauben Sie mir«, versicherte ihm Winter. »Aber eine Erkenntnis will ich Ihnen gerne verraten. Wenn Sie und Armand diesen Vau nicht als Vorwand benutzt hätten, um Ihren ganz persönlichen Krieg auszufechten, dann wäre die Sache anders ausgegangen.«
    Fitzsimmons schwieg einen Moment.
    Â»Vielleicht haben Sie sogar recht«, räumte er schließlich ein. »Alte Elefantenbullen wollen es noch einmal wissen, das ist nun mal so. Ob es klug ist, das ist eine andere Frage. Meine einzige Befriedigung ist, dass Armand und Sie ebenfalls das Nachsehen hatten.«
    Â»Dann wünsche ich Ihnen mehr Glück bei Ihrer nächsten Auseinandersetzung mit de Moulinsart«, hatte Winter das Gespräch beendet.
    Er studierte die Titelseite der Tageszeitung, die er vorhin gekauft hatte. In der letzten Nacht waren mehrere Bomben explodiert, davon eine in der Nähe einer Metrostation. Zum ersten Mal hatte der Anschlag Menschenleben gekostet. Der Kommentar neben dem Aufmacher warf der Regierung Versagen bei der Bekämpfung der Terroristen vor. Leserbriefe auf den Innenseiten unterstützten diese Position und forderten den Rücktritt der Regierung. Der Minister für den Inneren Frieden ließ verlautbaren, alles Menschenmögliche zu tun, um der Terroristen möglichst bald habhaft zu werden.
    Das war genau die Entwicklung, die Winter und seine Auftraggeber sich vorgestellt hatten. Jetzt fehlte nur noch ein kleiner Schubser, und wenn alles glattlief, würde die Regierung in wenigen Tagen Geschichte sein. Es war also doch richtig gewesen, Marek auszuwählen.
    Winter hatte den Jungen seit ihrer ersten Begegnung beobachten lassen. Es war mehr ein Gefühl als eine Gewissheit, aber er traute dem Kleinen nicht. Was Thura machte, war eine andere Sache. Sie war sowieso viel zu vertrauensselig, und es war ein Wunder, dass sie so lange unentdeckt geblieben war.
    Einer von Winters Männern hatte Marek bis auf das Gelände der Weltausstellung verfolgt und davon berichtet, wie der Junge Sekundenbruchteile vor der Explosion unter der Plane hervorgesprungen war. Das konnte nur eins bedeuten: Er wusste als Einziger vorher von der vorzeitigen Detonation der Bombe. Damit lag nahe, dass er es auch war, der Mist gebaut hatte.
    Natürlich gab es auch noch eine andere Erklärung. Winter wusste, dass sich Marek mit de Moulinsart getroffen hatte. War er vielleicht ein Verräter und hatte den Anschlag auf dessen Weisung zum Scheitern gebracht? Dann besaß er zumindest eine gewisse Kaltblütigkeit, so lange mit seiner Flucht zu warten.
    Wie auch immer, es gab keine Alternative. Irgendjemand musste die Bombenkampagne weiterführen, und alles, was er über den Kleinen zusammengetragen hatte, deutete darauf hin, dass er die beste Wahl war. Keine Familie, keine politischen Bindungen, kein Wohnsitz, von seinen Freunden fallen gelassen
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher