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Das Wörterbuch des Viktor Vau

Titel: Das Wörterbuch des Viktor Vau
Autoren: Gerd Ruebenstrunk
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wird.
    Fast nichts.
    Bis zu dem Tag, an dem das Objekt erschien.
    2.
    Büro der Luftraumüberwachung
    Curt Jansen rieb sich die rot geränderten Augen und gähnte. Er lehnte sich zurück, verschränkte die Arme hinter dem Kopf und drückte sich mit den Fußspitzen von der Pultkante ab. Sein Bürostuhl glitt über den blank gewienerten Boden.
    Â»Kurze Nacht, was?«, fragte eine Stimme von der Seite.
    Â»Psst.« Curt presste die Fingerspitzen gegen seine Schläfen, als wenn er damit den Schmerz zurückdrängen könnte. Chris Keller, sein Teamkollege an diesem Wochenende, grinste. Er hatte die Folgen von Curts Eskapaden schon häufiger erlebt. Mit einundfünfzig Jahren war Chris gute zwei Jahrzehnte älter, was ihm in seinen Augen das Recht gab, Curt ab und an väterliche Ratschläge zu erteilen. Der nahm das meistens gleichmütig hin, fühlte sich jedoch nicht verpflichtet, auch danach zu handeln.
    Die anderen Mitarbeiter wunderten sich darüber, wie gut C & C (so wurden sie mehr oder weniger heimlich genannt) miteinander auskamen. Chris war ein alter Besserwisser, mit dem außer Curt niemand gern zusammenarbeitete. Und der Jüngere war ein Schürzenjäger, der einem fortwährend mit Geschichten von seinen Eroberungen auf die Nerven ging.
    Curt gähnte erneut. Das Pochen in seinem Schädel hatte nachgelassen. Vielleicht würde er die Kopfschmerztabletten, die er vorsichtshalber eingesteckt hatte, doch nicht benötigen. Er schloss für einen Moment die Augen und hoffte, dass Chris ihn nicht sah, denn sein Kollege war übermäßig pflichtbewusst und tolerierte keine Nachlässigkeiten. Zum Glück wurde dessen Aufmerksamkeit gerade von einem der Monitore angezogen. Während Chris sich in die blinkenden Punkte vertiefte, konnte Curt sich seiner Erschöpfung hingeben.
    Er hatte schlecht geschlafen. Schlecht war noch untertrieben: Er hatte so gut wie gar nicht geschlafen. Den ersten Teil der Nacht hatte er in diesem neuen Klub verbracht, der momentan angesagt war. Die Rechnung für die Drinks hatte fast sein gesamtes Monatseinkommen verschlungen. Die Frau, hinter der er her war, war mit ihrer Freundin gekommen, und er hatte natürlich beide freihalten müssen, um nicht als mittelloser Spießer dazustehen. Schließlich waren sowohl die Mädels als auch er selbst gut abgefüllt. Leider hatte sich seine Hoffnung, die Frau mit in sein Apartment zu nehmen, nicht erfüllt. Stattdessen hatte er die zweite Hälfte der Nacht über der Toilettenschüssel verbracht und sich jeden Drink des Abends noch einmal angesehen.
    Er schlug die Augen wieder auf. Sein Blick glitt achtlos über die Monitore vor ihm. Keine besonderen Vorkommnisse. Das Übliche.
    Es hatte noch nie besondere Vorkommnisse gegeben, seit er diesen Job angetreten hatte. Die Luftraumüberwachung für außergewöhnliche Objekte, kurz LAO , hatte nicht die Aufgabe, den normalen Flugverkehr zu kontrollieren, sondern nach Flugobjekten zu suchen, die in keinem der offiziellen Logs verzeichnet waren.
    Curt fragte sich zum wiederholten Mal, warum er diesen Job angenommen hatte. Mit seiner Ausbildung hätte er eine deutlich lukrativere und interessantere Stelle finden können. Es war wohl der mangelnde Ehrgeiz, den ihm seine Eltern und Lehrer stets vorgeworfen hatten. Und jetzt hing er hier seit drei Jahren und fand den Absprung nicht.
    Er nahm sich zum wiederholten Mal vor, so bald wie möglich nach einer anderen Tätigkeit Ausschau zu halten. Noch war die LAO eine Referenz, doch wenn er ein paar weitere Jahre hier verschwendet hatte, würde sie zu einer Belastung werden.
    Langsam schob er sich wieder an das Arbeitspult heran. »Was Auffälliges?«, fragte er Chris beiläufig, der immer noch auf einen der Bildschirme starrte.
    Sein Nachbar schüttelte den Kopf. »Nur der Rest eines alten japanischen Satelliten. War bereits für gestern angekündigt. Jetzt ruht er bei den Fischen.«
    Â»Wo sie alle ruhen«, kommentierte Curt. Alle paar Tage fiel ein Stück Weltraumschrott vom Himmel und landete nahezu unausweichlich in einem der großen Ozeane.
    Â»Wir hatten auch mal einen über New York«, korrigierte ihn Chris. »Das war allerdings vor deiner Zeit. Damals stand die Stadt kurz vor der Evakuierung.«
    Curt kannte die Geschichte. Er hatte sie mindestens schon zehn Mal gehört und wusste immer noch nicht, ob sie stimmte
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