Das Wörterbuch des Viktor Vau

folgte der Kapsel so lange, bis sich deren Fallschirme öffneten. Sie schlug wenige Kilometer vor der Küste von Dagombé auf der Wasseroberfläche auf.
    Der Pilot gab die Koordinaten der Aufschlagstelle weiter und markierte den Ort mit fünf Signalbojen. Nach einer Stunde traf die erste Fregatte im Zielgebiet ein.
    Dagombé selbst verfügte über keine eigene Marine. Aus Kostengründen hatte man die Hafenanlagen an die ehemalige Kolonialmacht verpachtet, was seinerzeit, kurz nach der Unabhängigkeit, für jede Menge Aufruhr im Land gesorgt hatte. Inzwischen waren die meisten Bewohner froh darüber, denn der Marinestützpunkt gab Hunderten von Familienvätern Arbeit, die zudem deutlich besser bezahlt wurde als die Jobs bei einheimischen Unternehmen.
    Das Schiff umkreiste zunächst in einigem Abstand die Kapsel, während sie von der Brücke aus gefilmt wurde. Die Aufnahmen wurden in Echtzeit an Fachleute in aller Welt übertragen, um deren Meinung zu möglichen Risiken einzuholen. Erst nach dem einhelligen Go! der Experten wurde ein Schlauchboot zu Wasser gelassen. Vier Seeleute in Bioschutzkleidung näherten sich dem Objekt und nahmen Messungen vor. Als klar war, dass die Kapsel weder Strahlung abgab noch von irgendwelchen bekannten oder unbekannten Keimen befallen war, wurde sie mit Leinen am Schlauchboot vertäut, zur Fregatte geschleppt und vorsichtig an Bord gehievt.
    Auf dem Vordeck wurden mehrere Mikrofone herangefahren, um mögliche Geräusche aus dem Inneren des geborgenen Objekts aufzuzeichnen. Die Empfindlichkeit der Geräte war hoch genug, um schwächste Atemzüge zu registrieren. Das Ergebnis war negativ. Entweder war die Kapsel leer, oder die Besatzung war ums Leben gekommen.
    Ãœberall in der Welt saßen die Fachleute vor ihren Monitoren und verfolgten die Aktion. Inzwischen hatten sich auch die Politiker und Sicherheitsdienste eingeschaltet, und es entbrannte ein erbittertes Tauziehen darum, wohin die Kapsel gebracht werden sollte und wem sie gehörte. Die Regierung Dagombés pochte darauf, dass das Objekt in den Hoheitsgewässern des Landes niedergegangen war und deshalb nach internationalem Recht auch dort an Land zu bringen sei. Die Großmächte waren anderer Meinung, konnten sich aber ihrerseits nicht einigen. Da es zudem in Agua Caliente, der Hauptstadt Dagombés, ein ordentlich ausgerüstetes Forschungslabor gab, verständigte man sich erst einmal darauf, die Kapsel dort näher zu untersuchen. Die Regierung des Landes gab ihre Einwilligung zur Einreise einer internationalen Wissenschaftlerdelegation, die die einheimischen Fachleute bei ihrer Arbeit unterstützen sollte.
    Der Grund für dieses hektische diplomatische Hin und Her lag in der einhelligen Einschätzung der Experten, die der Bergung per Video beigewohnt hatten:
    Dieses OWO war kein Weltraumschrott und auch nicht von einer irdischen Basis gestartet worden.
    Das OWO stammte nicht von der Erde.
    4.
    Dagombé
    Agua Caliente war die Schöpfung Gordon Bandas – und sein größter Traum. Die erste Infocity der Welt, auf der Grenze zwischen Zivilisation und Barbarei. Auf seinen Missionen durch die Hightech-Metropolen der Welt war es ihm gelungen, zahlreiche Unternehmen und Nationen von seiner Vision zu überzeugen. Dreistellige Milliardenbeträge flossen nach Dagombé. Die Top-Architekten der Welt gaben sich die Klinke des Präsidentenpalastes in die Hand, und jeder Softwaremogul, der etwas auf sich hielt, investierte mindestens eine Milliarde Dollar in Agua Caliente.
    Gordon Bandas kulturelle Erziehung hatte sich vor seiner Zeit in Oxford vorwiegend durch den Genuss von B-Movies und alten Spaghetti-Western ausgezeichnet, und so hatte er die Stadt nach einem Kaff aus dem Sergio-Leone-Film Für ein paar Dollar mehr benannt. Der Film hatte ihm mächtig imponiert. Die Nachkommen Sergio Leones und Clint Eastwoods waren bereits mehrfach als Staatsgäste in Dagombé empfangen worden, und im Garten des Regierungspalasts befanden sich zahlreiche Steinskulpturen, die Szenen aus der Dollar-Trilogie nachbildeten.
    Im Zentrum Agua Calientes lag der Platz des panafrikanischen Stolzes , eine kahle, betonierte Fläche von der Größe mehrerer Fußballfelder, an drei Seiten umgeben vom Sitz des Präsidenten, vom Panafrika-Ministerium und vom Ministerium für wirtschaftliche Entwicklung. Im Mittelpunkt des Platzes erhob sich ein etwa