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Das Winterkind

Das Winterkind

Titel: Das Winterkind
Autoren: Reinhard Rohn
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hereingekommen war, ebenfalls lächelte. Für einen Moment sahen wir beide wie zwei grundlos glückliche Menschen aus. Ich bestellte noch einen zweiten Kognak. Dann nahm ich mein Telefon heraus und wählte die Nummer des Architekten. Am besten würde er noch heute herauskommen und sich das Haus ansehen, doch sein Anschluss war besetzt. Offenbar liefen seine Geschäfte gut, schloss ich daraus.
    Hedda hatte über ihrer Tür noch ein selbst gemaltes Schild mit den Worten »Herzlichen Glückwunsch« angebracht. Viel zu bunt und unpassend sah das Plakat aus, wie ein frommer Wunsch, den sie lieber leiser geäußert hätte. Aber vielleicht würde Mark sich ja von einer heiteren Stimmung, die seine Mutter erschaffen wollte, mitreißen lassen.
    Ich nahm den weiteren Weg und ging am See zum Haus zurück. Ich ließ mir Zeit. Niemand außer meinem Fischreiher würde mich erwarten. Beinahe bedrohlich sah der zugefrorene See in diesem kalten Dunst aus, so, als hätte er etwas zu verbergen oder als könnte er alles Licht in sich aufsaugen, wenn er es nur wollte. Auch die Enten verhielten sich ganz still; ungewohnt geduckt und ängstlich liefen sie umher. Ich schritt über das Eis zu dem Boot, mit dem Hedda und ich hinausgefahren waren. Wie einbetoniertlag es da; ein hölzernes Tier, das vor aller Augen in einen tiefen Winterschlaf gefallen war. Zwei der gelben Zettel, die in Heddas Bibel geklebt hatten, fand ich noch fest gefroren auf dem Boden. Ich nahm sie und steckte sie ein, als wären sie ein gutes Zeichen, eine Spur, die mich wieder zu Hedda führen würde.
    Das Feuer, das irgendwo brennen musste, roch ich eher, als dass ich es sah. Verbrannte da jemand mitten im Dezember noch feuchtes Laub, oder war im Dorf ein Unglück passiert? Eine Sirene oder ein Martinshorn war nicht zu hören. Ich überlegte, in den Ort zurückzukehren, um nach dem Rechten zu sehen, bis ich begriff, dass der Brandgeruch aus einer anderen Richtung kommen musste. Auf dem Deich roch ich das Feuer noch intensiver. Unwillkürlich ging ich schneller, von einer geheimen Ahnung getrieben. Dreihundert Meter weiter konnte ich auch Rauch sehen, der sich rasch im Nebel ausbreitete und ihm eine seltsam aschgraue Farbe verlieh. Was brannte da?
    Es ist nicht mein Haus, sagte ich mir, es ist nur die ungefähre Richtung, doch mein Verstand wusste es längst besser.
    Panisch stürzte ich den Deich hinunter und lief den Weg zu meinem Haus entlang. Ich sah hohe, hellrote Flammen emporschlagen, und ich hörte das Feuer, ein lautes, gieriges Knacken und Knistern, als wäre ein Monster am Werk und würde sein Opfer verspeisen wollen.
    Das Haus war in ein unwirkliches, gespenstisches Licht getaucht. Wild flackernde Schatten sprangen um es herum, aber es brannte noch nicht, sondern schien sich nur vor dem Feuer ducken und klein machen zu wollen. Es war der Geräteschuppen, der in Flammen stand. Aus ihm schössen große glühende Zungen gen Himmel.
    Ich rannte zum Tor, öffnete es und spürte sofort die Hitze, die mich für einen Moment zurückprallen und nach Atem ringen ließ. Heiße Asche wirbelte umher. Rauch hüllte mich ein. Dann stürmte ich auf Lichts Käfig zu. Das Feuer dürfte ihn bisher lediglich in Angst und Schrecken versetzt haben, doch wenn das Feuer weiter so wütete und auf das Haus übergriff, könnte auch seine Holzkiste leicht in Flammen aufgehen.
    Der Käfig war leer. Von meinem Fischreiher war nichts zu sehen. Ich atmete noch schneller und hektischer. Hatte der Brandstifter Licht zuerst getötet und dann den Schuppen angesteckt? Ja, vielleicht hatte ich Holty gar nicht erschreckt, sondern seinen Hass auf mich und den Fischreiher noch weiter angestachelt. Mir fiel auf, dass ich in dem Lärm des Feuers niemals auch nur einen heiseren Schrei des Reihers gehört hatte. Bis auf ein paar verlorene Federn und zwei weißen Bändern, die Licht unter seinem verletzten Flügel getragen hatte, war in dem Gehege keine Spur von meinem Fischreiher zu entdecken. Wenigstens eine Beobachtung beruhigte mich: Jemand hatte den Draht an einem Pfosten abgerissen und beiseite geschoben, damit Licht aus seinem Gefängnis entkommen konnte.
    Ratlos schaute ich mich um. Mein Herz schlug so hart, dass ich kaum noch Luft bekam. Asche und glühende Funken stoben umher. Der Geräteschuppen brannte lichterloh. Wahrscheinlich boten die Chemikalien, die dort standen, beste Nahrung für das Feuer. Nun begannen auch die ersten größeren Flamme an den Holzschindeln meines Hauses zu lecken.
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