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Das Winterkind

Das Winterkind

Titel: Das Winterkind
Autoren: Reinhard Rohn
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lange brennt Ihre Hütte schon?«
    »Es ist der Geräteschuppen« entgegnete ich. Mein Kehle war so ausgedörrt, dass mir jedes Wort Schmerzen bereitete. »Jemand hat meinen Geräteschuppen angesteckt.«
    »Haben Sie da irgendwelche besonderen Chemikalien aufbewahrt, Dinge, die explodieren können?«
    Ich schüttelte den Kopf, obwohl ich keine Ahnung hatte, was da alles herumgelegen hatte.
    Die beiden Jüngeren hatten das eine Ende des Schlauches an einem Hydranten angeschlossen und begannen das andere von ihrem Wagen abzurollen. Auch der Fahrer war mittlerweile herausgesprungen. Ich erlebte eine echte Überraschung. Humpelnd eilte der Mann auf mich zu und nickte verlegen. Es war Holty, der Tankwart. Er rief ein paar laute Kommandos, und die Männer machten sich an die Arbeit. Sie bewegten sich schnell und routiniert. DieFlammen hatten sich mittlerweile auf dem gesamten Dach ausgebreitet. Holty steuerte seine Leute so, dass sie zuerst das Feuer auf dem Dach unter Beschuss nahmen. Es zischte und brodelte, als die ersten Wasserstrahlen auf die Flammen trafen.
    Ich wich bis zu Lichts Käfig zurück. Während ich ein wenig ruhiger wurde, spürte ich, wie erschöpft ich war. Mein Knie sandte einen schrillen, penetranten Schmerzton aus, und mein Herz schlug, als wäre ich um den halben See gelaufen. Ich begann mir Sorgen um Licht zu machen. Hatte er sich in Sicherheit bringen und davonfliegen können? In dem ganzen Tumult aber war es unmöglich, eine Spur von ihm zu entdecken.
    Die Feuerwehrmänner schafften es, die Flammen auf dem Dach zurückzudrängen. Der Geräteschuppen hingegen sank nach und nach in sich zusammen. Mit einem ohrenbetäubenden Fauchen stürzten die Balken herab. Funken sprühten umher, auch der Rauch war noch dichter geworden.
    Ich hatte kein Auto gehört, hatte nicht bemerkt, dass sie sich genähert hatte, aber als ich aus einer plötzlichen Regung heraus den Kopf wandte, stand Hedda neben mir. Sie schaute mich mit leeren Augen an, so als würde sie das Feuer und das ganze Durcheinander um uns gar nicht wahrnehmen.
    »Mark ist nicht gekommen«, sagte sie mit einem langen Seufzen. »Nicht aus der Schule gekommen.«
    Ich sah Tränen in ihren Augen. Es war so leicht vorzustellen, was passiert war. Vielleicht hatte Mark seine Tat geplant, vielleicht aber hatte er auch nur die aufdringlichen bunten Luftballons vor seiner Tür gesehen und war weitergefahren, hierhin zu meinem Haus, um es endgültigzu zerstören. Ich legte meinen Arm um Hedda, und sie wand sich förmlich in diese Umarmung hinein, als wäre sie ein Kind und gehörte da hin. Ich roch ihr Haar. Alles hier war voller Rauch und mit Asche übersät, nur ihr Haar nicht. Es roch nach Zitronen, nach dem hellen, frischen Duft, der auch ihr Haus neulich erfüllt hatte.
    »Wir werden Mark finden«, flüsterte ich ihr zu. »Er kann nicht weit sein.« Mir waren schon bessere Lügen eingefallen.
    Die Feuerwehrleute hatten das Dach gelöscht und wandten sich nun dem Geräteschuppen zu. Lediglich ein paar schon verkohlte Holzbalken ragten noch auf, alles andere war bereits zusammengestürzt. Es sah aus, als hätte da ein riesiger Scheiterhaufen gebrannt.
    Ich bemerkte, dass Holty mich ansah und mir ein Zeichen machte. Ja, sie hatten den Brand mittlerweile unter Kontrolle. Es würde nichts Schlimmeres mehr geschehen. Ich reckte ihm meinen Daumen entgegen, eine Geste der Versöhnung, die auch meinen Fischreiher mit einschloss.
    »Wahrscheinlich ist Mark irgendwo am See«, sagte ich zu Hedda. »Wir gehen und suchen ihn.«
    Hedda nickte. Sie löste sich aus meiner Umarmung und blickte zum Feuer hinüber. In ihrem Blick lag eine abgrundtiefe Müdigkeit und Verzweiflung. Trauriger hätte sie auch nicht sein können, wenn da vor ihren Augen ihre Kirche abgebrannt wäre. Ich musste ihr nicht sagen, dass Mark hinter all diesem Chaos steckte.
    Wir schritten langsam um das Haus herum, an dem Löschwagen vorbei, der mit laufendem Motor dastand. Auch wenn das Feuer nahezu erloschen war, breitete sich noch immer dichter Qualm aus, der im feuchten Nebel schwer und klebrig wurde. Ein Polizeiwagen kam mitBlaulicht die Straße heruntergefahren. Ich achtete nicht weiter darauf. Hedda ging neben mir. Zweimal sah es so aus, als würde sie stürzen, als wüsste sie gar nicht mehr, wie sie ihre Füße voreinander setzen sollte.
    »Mark hat den Reiher freigelassen«, sagte ich. »Ich glaube, dass beide am See sind.«
    »Warum tut er das?«, flüsterte sie vor sich hin. »Als
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