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Das Werk der Teufelin

Titel: Das Werk der Teufelin
Autoren: Andrea Schacht
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wieder ein bisschen mehr er selbst, begründete er seine Handlung damit, er müsse schließlich auf seinen Magen achten. Dennoch teilte er die Beute gleichmäßig auf.
    Die Dämmerung sank hernieder, und das Zwitschern und Zirpen in den Feldern erstarb. Eine Schar Gänse zog flügelrauschend über sie hinweg, und die Krähen auf den Stoppelfeldern schwangen sich krächzend auf, um in den Baumwipfeln eines kleinen Gehölzes ihre Ruheplätze aufzusuchen. Almut fühlte sich ein wenig unwirklich. Zu viel war in den letzten Stunden geschehen, und müde musterte sie Angelika, die sich wie ein kleines, gebrochenes Vögelchen im Heu zusammengekauert hatte. Sie hielt die Lider halb geschlossen und summte irgendeine tonlose Melodie vor sich hin.
    Pater Ivo hatte ebenfalls eine Weile in sich versunken geschwiegen, aber jetzt widmete er dem Mädchen seine ganze Aufmerksamkeit.
    »Kind, du hast dein Leben im Kloster verbracht, und ich bin sicher, du hast die Worte des Herrn gehört. Kennst du das Buch Hesekiel?«
    Große, unschuldige Augen sahen den Benediktiner an.
    »Nein, Pater. Ich kenne keine Bücher!«
    »Nun, dann will ich dir daraus berichten, Angelika. Es handelt von der Hurerei und ihren Folgen. Und du solltest gut zuhören, denn darin steht geschrieben, wie der Herr mit den schamlosen Weibern umgeht, die wie du diese Sünde trieben und sich jedem anboten, der vorüberging. So wie du aus der Stadt gingst und dich den Söldnern schamlos in die Arme warfst.«
    Die Predigt war wortgewaltig und drastisch, und er endete mit den Worten: »Darum, Hure, höre die Worte des Herrn. Ich will dich richten wie die Ehebrecherinnen und Mörderinnen; ich lasse Grimm und Eifer über dich kommen! Es soll dein Lager eingerissen werden und dir die Kleider genommen werden, und du wirst nackt und bloß liegen gelassen. So wirst du gesteinigt werden und mit Schwertern zerhauen, und an dir wird das Gericht vollstreckt vor den Augen vieler Frauen!« Und als Angelika außer ungläubigem Staunen keine Reaktion zeigte, entwarf Pater Ivo ihr ein so drastisches Bild der Höllenqualen, die sie auf Grund ihrer Verfehlungen würde erleiden müssen, dass sich Almut schaudernd abwandte. Sie bemerkte Aziza, die mit offenem Mund zuhörte. Und irgendwie ging ihr plötzlich das Absurde der Situation auf.
    »Ja, ja, man fragt sich manchmal, wen man mehr zu fürchten hat – Gott oder den Teufel!«
    In Azizas Augenwinkel trat ein kleines Zwinkern. »Oder die Priester, die das Wort des Herren so gewaltig zu deuten wissen, was? Glaubt er das eigentlich selbst, was er da sagt?«
    Almut lauschte eine Weile ergriffen den Auslegungen und fragte dann leise: »Ich möchte wissen, was er damit erreichen will!«
    »Warten wir es ab. Ich glaube, er will dem einfältigen Ding klar machen, welche Sünde sie begangen hat.«
    Aber das war ihm nicht gelungen, denn Angelika begehrte stattdessen auf: »Aber warum soll das eine Sünde sein? Die Männer wollen das doch!«
    »Wie wahr!«, gluckste Aziza.
    »Welche Männer, Kind? Welche Männer wollten das von dir?«
    »Na, alle! Die Soldaten und die Bauern, der Köhler im Wald und die Wachen an den Toren!«
    »Aber du bist in einem Kloster aufgewachsen, Kind, nicht auf der Straße!«
    »Ja, aber im Kloster wollten sie es auch.«
    »Welche Männer im Kloster wollten es?«
    »Na, der alte Mann, der Domherr, der unsere Äbtissin besucht hat. Er hat mich immer nach der Messe in die Sakristei mitgenommen!«
    Aziza und Almut entfuhr es gleichzeitig: »Großer Gott!«
    »Hast du dich ihm angeboten, Kind?«
    »Nein, natürlich nicht! Aber er hat mir süßes Naschwerk angeboten, und darum habe ich ihn gewähren lassen.«
    »Und bist du auch manchmal zu ihm gegangen?«
    »N…nein!«
    »Lüg mich nicht an, Kind. Der Herr kann in dein Herz sehen. Und ich kann es auch!«
    »Na ja. Er hat Schwester Beata und mir versprochen, uns die Reliquien zu zeigen. Er hat gesagt, die sind direkt aus dem Heiligen Land. Und er wollte sie dem Kloster stiften.«
    »Was für Reliquien?«
    »Oh, ganz schöne. Die Windeln des Jesuskindes. Hat er gesagt. Aber es sollte eine Überraschung für die ehrwürdige Äbtissin sein, und darum durften wir es nicht verraten. Wir haben ihn auf seinem Gut besucht. Aber das war nicht so schön. Er hat mich mit in sein Haus in den Weingärten genommen. Aber da waren keine Windeln. Er hatte auch kein Naschwerk für mich. Nur schweren roten Wein. Darum hat mir das nicht gefallen. Also das, was ich mit ihm tun sollte. Weil, was er
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