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Das Werk der Teufelin

Titel: Das Werk der Teufelin
Autoren: Andrea Schacht
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dadurch bekommt.«
    »Mein Bild von Euch könnt Ihr durch Eure Taten der Vergangenheit nicht verändern, Begine. Erzählt.«
    »Nun ja, Ihr müsst wissen, ich war noch recht jung, als ich verheiratet wurde. Mit fünfzehn wünschte mein Vater, dass ich einen seiner Freunde heiratete. Ich gehorchte ihm natürlich. Gar nicht unwillig tat ich ihm diesen Gefallen, denn zunächst schien auch mir die Verbindung nicht unangenehm. Mein Gatte war ein wohlhabender Mann, Baumeister wie Vater und von gutem Ruf. Doch er hatte bereits zwei Frauen begraben, und vier seiner Kinder lebten noch in seinem Haus. Drei unverheiratete Töchter, älter als ich, und sein Sohn, der mit ihm das Geschäft führte. Es war von Beginn an schwierig für mich, in diesem Haushalt eine angemessene Stellung zu finden, doch das hätte die Zeit vielleicht ändern können. Aber mein Mann verlangte auch, dass ich den ehelichen Pflichten pünktlich nachkam, denn er wünschte sich noch einen Sohn. Ich konnte ihm diesen Wunsch nicht erfüllen, denn jedes Mal, wenn ich schwanger wurde, verlor ich das Kind. Er gab mir die Schuld daran, schlug mich und zwang mich mit Gewalt. Ich weiß nicht, ob es an mir lag, dass ich nicht mehr empfangen konnte, denn es ekelte mich vor ihm. Er war fett, er war alt, er trank gewaltige Mengen, und er verströmte einen ekligen, süßlichen Geruch. Ihm zu Willen zu sein, Pater, war kaum weniger schrecklich als das, was mir heute geschah. Denn es begannen seine Gliedmaßen an seinem Leib zu verfaulen, und seine Haut war von Schwären bedeckt. Es war nicht der Aussatz, doch etwas fraß an ihm. Ich musste ihn pflegen, und als er allmählich blind wurde, halfen zwei Beginen mir in seinem letzten Jahr. Bei ihnen fand ich endlich auch tröstende Worte und die Vision eines friedlicheren Lebens. Als er starb, wollte mein Vater mich sogleich wieder verheiraten, aber ich weigerte mich. Der Sohn meines Mannes war großzügig. Er zahlte mir meine Mitgift wieder aus und auch einen Teil des Erbes, als ich ihm meinen Entschluss mitteilte, in den Konvent am Eigelstein einzutreten. Vermutlich war er froh, dass ich seinem Vater keinen weiteren Erben geschenkt hatte.«
    Almut hatte all das mit gesenktem Kopf berichtet, und als ein kühler Wind die Feuchtigkeit vom Fluss heraufbrachte, schauderte sie.
    »Es wird eine kalte und klamme Nacht, Begine.« Pater Ivo legte seinen Arm in dem weiten Kuttenärmel um ihre Schultern und zog sie dicht an sich heran. Almut war dankbar für die Wärme und das Verständnis, darum machte sie sich über diese Geste keine Gedanken. Sie lehnte ihren Kopf an seine Schulter und fühlte sich geborgen. Eine lange Weile später erst traute sie sich, die Frage zu stellen, die ihr Herz bewegte, seit sie den Mönch kannte, und deren Antwort er ihr bisher jedes Mal verwehrt hatte.
    »Nun wisst Ihr es, warum ich zu den Beginen ging. Aber sagt, warum seid Ihr ins Kloster gegangen, Pater?«
    »Ich bin Euch endlich eine Antwort schuldig, nicht wahr?«
    »Schuldig nicht, aber ich gestehe, ich habe mich das schon oft gefragt, neugierig, wie ich bin. Wisst Ihr, manchmal habe ich die Vermutung, Ihr habt es nicht ganz freiwillig getan.«
    Ein bitteres Lachen war seine Reaktion darauf.
    »Ihr seid bei weitem viel zu scharfsinnig, Begine. Nein, nicht ganz freiwillig, wenn man bedenkt, dass ich nur die Wahl zwischen dem Scheiterhaufen und dem Kloster hatte.«
    »Barmherzige Mutter, warum das?«
    »Weil ich, Kind, die klugen Worte des weisen Sirach nicht beachtete. ›Leihe keinem etwas, der mächtiger ist als du; leihst du ihm aber etwas, so schreib es gleich ab‹, so hat er geraten. Ich jedoch handelte töricht, machte mir Feinde und wurde verraten.«
    »Der Scheiterhaufen gebührt den Ketzern.«
    »Richtig, Begine.«
    »Und Ihr wart einer?«
    »Nein.«
    »Nein?«
    »Begine, ich fürchte, ich bin noch immer einer.«
    »Oh. Ja, das glaube ich auch.« Sie schwieg eine Weile, und weil er nichts weiter sagte, fügte sie hinzu: »Es scheint mir aber richtig zu sein.«
    »Findet Ihr?«
    »Doch, ja. Aber sagt, warum hattet Ihr bei dieser Anklage noch die Wahl?«
    »Weil sich – so seltsam es klingen mag – ein hoher Geistlicher für mich einsetzte und mir diese Möglichkeit eröffnete. So habe ich denn mein unwürdiges Leben gerettet. Doch heute denke ich manchmal, es wäre besser gewesen, den Tod zu wählen.«
    Almut legte ihre Hand auf die seine und flüsterte: »Ihr habt einmal behauptet – da ging es um Angelika –, man könne die Gelübde
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