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Das Werk der Teufelin

Titel: Das Werk der Teufelin
Autoren: Andrea Schacht
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wurde vom Erzbischof im Übrigen auch die Umwandlung von Gelübden und Pilgerversprechen in Geldwerte, wenn sie denn dem Domkapitel zur Verfügung gestellt wurden.
    Dass sich in diesem Zusammenhang durchaus eine gewisse kriminelle Energie entwickeln konnte, blieb leider auch nicht aus.
    Mein intensives und begeistertes Bibelstudium, das natürlich notwendig war, um Almut, der Begine, die treffenden Bemerkungen auf die spitze Zunge legen zu können, brachte mir das Buch Jesus Sirach näher, ein hinreißendes Werk voll praktischer Ratschläge und tiefer Weisheiten, die auch nach Tausenden von Jahren noch nicht ihre Gültigkeit verloren haben. Und sie sind von einer überwältigenden Sprachgewalt und erschreckend bildhaft beschrieben. Wie etwa folgende Feststellung, die den Leitgedanken der nachfolgenden Geschichte bestimmt:
    »Wer mit Gewalt ein Urteil erzwingen möchte, der ist wie ein Verschnittener, der eine Jungfrau schänden will.« (20.4)

Im heiligen Köln im
    Herbst des Jahres 1376
    der Menschwerdung
    des Herrn

1. Kapitel
    Domherr Sigbert von Antorpf verfluchte die Langsamkeit der Träger. Er fluchte auch über den Zustand der Straße und die unnötigen Aufenthalte, denn Söldner hatten ihre Lager zwischen Bonn und Köln aufgeschlagen. Er fluchte ebenfalls darüber, in einer schwankenden Sänfte reisen zu müssen, die ihm Übelkeit verursachte. Aber die Wunde schmerzte nach wie vor, selbst wenn sie inzwischen verheilt war. An Reiten war überhaupt nicht zu denken. Vor allem aber verfluchte der Domherr die Teufelin, die sie ihm zugefügt hatte. Dieses heimtückische Frauenzimmer war der Grund für seine beschwerliche Reise – oder besser gesagt, einer der Gründe. Sie war ihm entwischt, just als er sie zur Rechenschaft ziehen wollte. Und es war ihr, wie auch immer, gelungen, in den Wirren der kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen dem Erzbischof von Köln und dem Rat der Stadt irgendwo wie ein scheues Wild Unterschlupf zu finden. Er hatte ihre Fährte bis kurz hinter Bonn verfolgt, aber stets war sie ihm einen oder zwei Tage voraus.
    Dieser Tag neigte sich nun schon wieder dem Ende zu, und er wies die lahmen Trottel, die seine Sänfte trugen, an, an dem Gasthaus vor ihnen anzuhalten und ihn dort abzusetzen. Stöhnend und steifbeinig wuchtete er seinen massigen Körper von dem Sitz und stützte sich schwer auf den schwarzen Knüttel, der ihm als Stock und gegebenenfalls auch als Waffe diente. Viel versprechend sah das Haus nicht aus, und das Gelärme ließ darauf schließen, dass hier lästiges Kriegsvolk Einkehr gehalten hatte. Aber der Domherr fühlte sich außer Stande, nur noch einen Schritt weiter zu reisen. So gab er seinem Diener den Befehl, für ein standesgemäßes Nachtlager zu sorgen. Unter Umständen war es sogar von Nutzen, dass sich zahlreiche Gäste hier aufhielten. Möglicherweise hatte der eine oder andere die flüchtige kleine Hure gesehen.
    In der Tat hatte man sie gesehen, und ihre Spur führte nach Köln.
    Was der Domherr nicht wahrnahm, war die junge, verhärmte Frau, die, als sie seiner ansichtig wurde, hurtig in den herbstlich langen Schatten der Bäume verschwand und sich trotz ihrer Erschöpfung und des Hungers nicht mehr im Gasthaus sehen ließ.

2. Kapitel
    Es war ein heiterer Tag, die Luft war noch som merlich warm, wenn auch bereits ein Hauch von Herbst in dem milden Wind lag, der über die engen Wege zwischen den Feldern strich und den trockenen Staub aufwirbelte. Der Duft von Heu, reifen Äpfeln und der leicht säuerliche Geruch der Gärung lag darin, aber ebenfalls eine Spur des fauligen Brodems, der aus dem Uferschlamm des Rheins aufstieg. Nach den heißen Sommermonaten führte der Fluss jetzt nur noch wenig Wasser.
    Drei Beginen, in schlichte graue Kleider gewandet, züchtig die Haare mit den weißen Gebänden und Schleiern bedeckt, wanderten mit Körben voller Äpfeln vom Altenberger Hof zurück zu ihrem Heim in der Nähe des Eigelstein-Tores. Sie hatten vom Gutsbesitzer die Erlaubnis erhalten, das Streuobst auf seinen Wiesen zu sammeln, als Dank für ihren Beistand bei der Bestattung eines alten, treuen Verwalters.
    »Ein bisschen knauserig, der Kniesbüggel. Streuobst… Ich bitte euch! Und voller Wespen! Dabei habe ich mir die Seele aus dem Leib geschluchzt, als sie den alten Jobst unter die Erde gebracht haben!«
    Thea, die geradezu professionell die Rolle des Klageweibes beherrschte, war schlecht gelaunt, wie schon häufiger in den vergangenen Wochen.
    »Ach, was
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