Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das weisse Kaenguruh

Das weisse Kaenguruh

Titel: Das weisse Kaenguruh
Autoren: Matthias Praxenthaler
Vom Netzwerk:
und dachte ans Essen. Er griff nach seinem Käsebrötchen, das erstaunlich elastisch daherkam, riß mit den Zähnen das Zellophan herunter und schlang es in fünf gierigen Bissen in sich hinein, ohne daß seine Geschmacksnerven etwas mitbekamen. Nur die glitschige Essiggurke, dieden Scheibenkäse aus dem Schoß von Mutter Industrie bereits vollständig durchweicht hatte, entwickelte dabei so etwas wie ein Aroma. Die Lebensmittelversorgung an deutschen Tankstellen ist wirklich eine Katastrophe, dachte sich Billy, spülte mit ein paar kräftigen Schlucken Volvic nach und steckte sich wie automatisiert die nächste Kippe in den Mund.
    »Was rauchst du da eigentlich für ein Kraut«, wollte der Euro wissen.
    »Gauloises Caporal. Schwarzer Tabak. Sind aus Frankreich«, antwortete Billy knapp.
    »Und was können die?«
    »Die machen keinen Krebs, hat mir der Verkäufer gesagt. Die haben so einen komischen Filter. Da ist keine Chemie drin. Der ist aus reiner Zellulose oder so. Und der Verkäufer meinte, den Krebs kriegt man nicht durch das Rauchen an sich, sondern durch die Chemie im Filter.«
    »Und das hast du ihm geglaubt?«
    »Sofort«, sagte Billy, zündete sich die Zigarette an und schob ein neues Tape ins Kassettendeck. »Superfly« von Curtis Mayfield. »Little Child runnin’ wild.«
    Der schwarze Tabak aus Frankreich kratzte im Hals des jungen Deutschen und hinterließ dabei einen herrlichen Nachgeschmack. Wie oft hatte er in den letzten Jahren versucht, mit dem Rauchen aufzuhören? Tausendmal? Zigtausendmal? Wahrscheinlich reichte das nicht. Dabei hatte es sich Annabelle so sehr gewünscht. Und natürlich hätte er ihr den Gefallen auch gerne getan, so war es nicht. Erst vor gut einer Woche hatte er den nächsten, ernsthaften Versuch gestartet und endlich zu dem Buch gegriffen, das sie ihm so oft empfohlen hatte. »Wenn du wirklich mit dem Rauchen aufhören willst«, hatte sie zu ihm gesagt, »dann lies dieses Buch. Damit schaffst auch du es.«
    Billy fand das Argument natürlich einen ausgemachten Blödsinn. Als ob ein Buch das Leben eines Menschen ändernkönnte. Wenn das so wäre, warum hatte dann noch keiner etwas zum Thema »Endlich nicht mehr Diktator« oder »Endlich nicht mehr doof sein« geschrieben? Trotzdem – am Ende war er ihrem Rat dann doch noch gefolgt. Vorurteilsfrei und mit hehren Zielen im Herzen hatte er sich diesen losen Lebenswegbereiter von Jim Carr reingezogen. Aus Liebe sozusagen. Und als Beweis dafür, daß er es ernst meinte. Aber es war leider umsonst. Seine Zeit war da schon lange abgelaufen. Was im Gegenzug auch sein Gutes hatte, wie er nun voller Sarkasmus feststellte. Endlich mußte er kein schlechtes Gewissen mehr haben, wenn er sich eine ansteckte. Kippe gegen Frau – was für ein Wahnsinnstausch!

Billy.
    »Mal probieren?« fragte Billy den Euro nach einer kurzen Pause und hielt ihm das hellblaue Softpack hin.
    »So mag ich’s«, antwortete der Euro und griff sich eine.
    Dann wurde er ein bißchen albern. Er faßte sich in seine Anzughose, wühlte darin herum und zog schließlich ein brandneues Zippo heraus, das golden war und auf dem ein fettes €-Zeichen prangte. In Straßsteinchen.
    Als Billy das Feuerzeug sah, blieb ihm für einen Moment der Mund offen stehen. Bis er ihn wieder schloß und innerlich den Kopf schüttelte. Der Euro bemerkte es nicht. Oder er überging es souverän.
    »Also, eins würde mich ja schon interessieren«, sagte er, als er den ersten Zug seiner Caporal gegen die Windschutzscheibe blies. »Dein Name, Billy, woher kommt der wohl. Mit den Kondomen hat das hoffentlich nichts zu tun, oder?«
    »Billy wie das Regal«, sagte Billy und deutete mit seiner rechten Hand nach hinten in den Laderaum.
    »Billy wie das Regal«, echote der Euro, nachdem er nach hinten geschaut hatte.
    Verstanden hatte er es nicht.
    »Ich sammle«, erklärte Billy. »Seit Jahren schon. Nichts Besonderes. Einfach nur irgendwelches Zeug aus Eisen. Verrostet muß es sein. Das ist die einzige Bedingung. Na ja, und irgendwann wußte ich nicht mehr, wohin mit dem ganzen Kram. Und da habe ich mir dann Billy-Regale gekauft. Von Ikea. Erst eins, dann zwei, dann immer mehr. Hohe, niedrige, bis meine ganze Bude damit voll stand. Und wie es halt so läuft. Es kommen ein paar Freunde vorbei, man betrinkt sich und ein ganz besonders Schlauer kommt auf die Idee, mich Billy zu nennen. Ab da war es fix. Seitdem heiße ich so. Und wenn ich ehrlich bin, ich mochte den Namen sofort.«
    Der Euro
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher