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Das weisse Kaenguruh

Das weisse Kaenguruh

Titel: Das weisse Kaenguruh
Autoren: Matthias Praxenthaler
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ein.
    »Wenn du wüßtest«, antwortete der Münchener, griff sich seinen Koffer und fing an zu grinsen – breit wie der Frosch von Erdal. »Da ist meine Zukunft drin. Die ist so schwer, die kann ich kaum tragen.«
    Ohne etwas zu sagen, ging Billy zum Waschbecken. Die Seife war leer und das Wasser nur kalt zu bekommen. Er ließ seine Hände vollaufen und tauchte das Gesicht hinein. Das tat gut. Das machte wach und klar und gab ihm überdies die Möglichkeit, den vorliegenden Sachverhalt mit sich zu klären.
    Natürlich war er nicht in der Stimmung für einen mehrstündigen »Und-was-machst-du-so«-Schwatz. Grundsätzlich nicht, und schon gleich gar nicht mit einem wildfremden Offensivpinkler mit Frauenheldfrisur, den er gerade auf dem Klo einer schäbigen Raststätte an der Autobahn kennengelernt hatte.
    Auf der anderen Seite? Irgendwie hatte der Typ etwas, das mußte Billy ihm lassen. Und wenn er ehrlich war, konnte ein bißchen Gesellschaft vielleicht auch ein Stück weit seine Seele befrieden. Zumal seine Klobekanntschaft ja aus München kam, sich dort somit vermutlich ausgezeichnet auskannte und bestimmt ein paar gute Ratschläge zu verschenken hatte, wie es sich im Dorf an der Isar am besten aushalten ließ. Schließlich hatte sich Billy München für die nächste Zeit als seinen Lebensmittelpunkt ausgesucht. Und da lag für ihn noch vieles im Ungewissen.
    Billy drehte den Wasserhahn zu, stellte fest, daß der Handfön heute außer Betrieb war, trocknete sich die Hände daheran der Hose ab und dachte ein letztes Mal kurz nach.
Einundzwanzig
.
Zweiundzwanzig.
Dann zog er das Überraschungsei-Puzzle aus der Jackentasche und hielt es dem Typ hin.
    »Hier. Damit du während der Fahrt was zum Spielen hast. Ich heiße übrigens Billy.«
    »Ehre o dir, mein Retter«, freute sich der Typ. »Ich schwöre dir, du wirst es nicht bereuen.«
    Dann streckte er Billy seine ungewaschene Hand entgegen. »Ich bin übrigens der Euro«, sagte er dabei.
    Billy schlug ein und guckte leicht verwirrt.
    »Bis vor kurzem hieß ich Mark«, sagte der Euro. »Ende des Jahres ist doch Währungsumstellung. Und ich bin schließlich Geschäftsmann.«
    »Na klar«, sagte Billy kurz, drehte sich um und ging schon mal vor.

Honey. Baby. Sweetheart.
    Auf dem Weg zum Parkplatz sprachen die beiden kein Wort miteinander. Billy steckte sich eine Zigarette an und dachte darüber nach, ob die Mark Trinkgeld, die er der Klofrau in die Untertasse geworfen hatte, in Zukunft ein Euro sein würde. Der Euro trottete hinterher und hielt seinen Aktenkoffer fest.
    Am Auto angekommen, schob Billy den Schlüssel in das Türschloß und drehte um. Und freute sich. Er liebte das Geräusch, wenn die Knöpfe der Türen mit diesem schleppenden Schnalzen dem Befehl der Zentralverriegelung folgten.
    »Coole Karre«, sagte der Euro und zog beiläufig ein superschickes Hochpreis-Segmenthandy von Nokia aus der Hose seines noch schickeren und silbrig glänzenden Anzuges.
    »Cooles Handy«, sagte Billy. »Wollen wir los?«
    »Sofort. Nur noch ein kurzer Anruf. Sorry, aber muß sein. Außerdem habe ich hier gerade Netz. E-Plus , weißt schon.«
    Dann begann er zu wählen.
    »Hey, Honey! Ich bin’s, Baby. Wie geht’s dir, Sweetheart?« war die Ouvertüre des folgenden Gesprächs.
    Billy war beeindruckt.
    »Ja, ja, habe jemanden gefunden. Billy heißt er. Guter Typ«, machte der Euro weiter und zwinkerte Billy zu.
    »Logisch, was glaubst du? Alles klar gegangen. Mach dir keine Sorgen. Es ist alles in Ordnung, Ehrenwort …«
    So ging es dann noch eine Zeitlang weiter. Bis der Euro endlich einstieg.
    »Ich bin in zwei Stunden da. Versprochen, Baby. Also dann bye, Süße … ja, ich dich auch … echt? … na da freu ich mich aber drauf … mmmh!!!«
    Billy saß schon ein Weilchen. Gespannt hatte er diesem wortreichen, aber seltsam kryptischen Gespräch zugehört und natürlich hatte er nachgerechnet. Denn eins war völlig klar. Von Würzburg bis nach München war es in zwei Stunden nicht zu schaffen. Auf gar keinen Fall. Nicht mit seinem Auto und nicht mit ihm am Steuer.
    »Sagen wir besser drei«, sagte er deshalb zum Euro.
    Den interessierte das allerdings nicht mehr. Er hatte schon aufgelegt. Und so kümmerte sich Billy auch nicht weiter, sondern fuhr einfach nur aus der Parklücke heraus und gab Gas in Richtung München. Seiner neuen Heimat entgegen, und mit seiner Vergangenheit im Nacken.

Liebesende.
    Billy drückte seine Zigarette in den bereits gutgefüllten Aschenbecher
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