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Das weisse Kaenguruh

Das weisse Kaenguruh

Titel: Das weisse Kaenguruh
Autoren: Matthias Praxenthaler
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Stoff eben mit leidigen Fantasy-Bildchen zum Zusammenstecken, popeligen Kfz-Visionen in poppigem Design oder halt – zum besonderen Leidwesen von Billy – mit neun Puzzleteilen aus Billigpappe und unerhörtem Motiv. Wo bitte war da der Unterschied?
    Billy konnte das alles zum Glück egal sein. Im Gegensatz zu vielen anderen war er nicht suchtgefährdet. Weder wenn es um Koks noch wenn es um Überraschungseier ging. Er hatte das Spiel durchschaut und ließ sich nicht darauf ein. Natürlich fand er es schade, daß sich die Innovationsgeister von Ferrero auf der Streckbank ihres Arbeitgebers breitschlagen ließen, anstatt ausschließlich und prinzipiell nur Sachen abzuliefern, die absolute Gültigkeit besaßen. Aber so ist das eben, wenn es ums Geschäft geht, da darf man nicht von einer heilen Welt ausgehen. Wer sich jahrelang durch das universitäre Dickicht aus Marketing und Gewinnmaximierung geschlagen hatte wie Billy, der verabschiedet sich auf diesem Weg irgendwann von den stürmenden und drängenden Idealen. Das Studium der Betriebswirtschaftslehre ist nichts für Menschen mit Ethos in den Eiern.
    Nein, der Grund, weshalb er sich so sehr über das Puzzle ärgerte, lag an anderer Stelle begraben. Es war ganz einfach. Für Billy hatte der Inhalt eines Überraschungseis eine prophetische Bedeutung. Es war so etwas wie ein Orakel für den Tag. Wo sich andere Menschen ihre Zukunft von Roswitha aus dem Kaffeesatz lesen ließen, griff er zum Überraschungsei, wenn er eine Antwort brauchte. Dann schloß er die Augen, ließ das Schicksal seine Hand führen und nahm sich im Supermarkt ein Ei. Oder am Kiosk. Oder an der Tankstelle. Und aus dem Inhalt versuchte er dann zu schließen, was die nächste Zeit wohl bringen würde. Hatte er ein gutes Ei, dann gab ihm das immer einen kleinen Schubs in den Rücken, und er wußte, daß er auf dem richtigen Weg war. Steckte aber ein fauler Kompromiß darin, konnte ihm das den Tag schon madig machen.
    Obwohl das eher selten passierte. Billy war Optimist. Schon immer gewesen und sehr zu seiner Freude. Er sah die Dinge bunt, und wenn sie es ausnahmsweise einmal nicht waren, nahm er einen Farbeimer und machte sie dazu. Die Segel anmalenstatt zu streichen, so nach der Art. Aber selbst, wenn das einmal nicht funktionierte – was ihm normalsterblich oft und in unregelmäßigen Abständen passierte – brachte das seine Grundlaune nicht in Not. Wer will, daß es weitergeht, darf sich nicht zu lange mit der Vergangenheit aufhalten. Und Billy wollte nicht nur, daß es weiterging, er wußte auch, daß es das tat. Immer und irgendwie, mit gelegentlichen Rückschlägen und trotzdem am Ende immer Gott sei Dank. Welchem, war ihm dabei übrigens egal. Er hatte schlicht Spaß mit dem Leben, und wenn das Leben sprechen könnte, hätte es dieses Kompliment vermutlich gerne an ihn zurückgegeben.
    Im Moment war davon aber leider nicht viel zu spüren. Die letzte Zeit hatte sein Koordinatensystem massiv durcheinandergewirbelt. Und wenn man ihm gerade dabei zuschaute, wie er da in seiner selbst eingebrockten Scheiße hockte, die stank und ganz einfach Gegenwart hieß, wer hätte da nicht verstehen wollen, daß er sich heute ein anderes Ei gewünscht hätte. Ein Puzzle an diesem Montagmorgen, dem 14. Mai 2001, das war schon eine göttliche Frechheit. Ein Puzzle war etwa so, als würde man dem zum Tode verurteilten Kapitalverbrecher als letzte Zigarette eine Eve 120 anbieten.

Zum Thema Herrenabort.
    Der Vorraum des Toilettenpavillons hatte Stil. Jedenfalls hatte man sich etwas einfallen lassen, um die Reisenden in Pinkellaune zu bringen. Nicht nur der Anblick deutscher Seniorenwirklichkeit in Gestalt einer etwa hundertjährigen Klofrau mit leerer Untertasse vor der Nase freute das Herz, auch beim Entertainmentprogramm wurde nicht gespart. An der Wand stand einer dieser riesigen Glaskästen, in denen ein silberner Miniaturgreifarm hing. Damit konnte man dann ein tolles Plüschtier rausfischen. Für nur zwei Mark Einsatz. Man mußte natürlich wollen.
    Jumbo hieß das Monster und blinkte wie Las Vegas. Eine Chance, bei dieser Übung als Sieger vom Platz zu gehen, hatte man allerdings nicht. Deshalb machte man bei dem Nepp auch nicht mit. Zumal die Plüschtiere, um die es ging, allesamt von ausgesuchter Scheußlichkeit waren. Aber wenigstens brachten diese Dinger ein bißchen Abwechslung in die sonst so eintönige und triste Fliesenatmosphäre eines Autobahnraststättenklos. Das Auge pinkelt schließlich
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