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Das Weihnachtsversprechen

Das Weihnachtsversprechen

Titel: Das Weihnachtsversprechen
Autoren: Donna Vanliere
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nachts mit weniger Leuten zu tun haben würde und daher machen könnte, was er wollte. Das gefiel ihm.
    »Warum wollen Sie wochenlang durchgehend in der Nacht arbeiten?«, fragte Ray.
    Chaz zuckte mit den Schultern. »Ich weiß nicht. Es macht mir nichts aus.«
    »Sie sind eine ganz schön harte Nuss«, meinte Ray und schlug mit der Hand auf den Schreibtisch. Er griff in eine offene Packung in der untersten Schublade und schob sich einen alten Schokokeks in den Mund. »Passen Sie bloß auf, dass Sie den Job hier packen. Hier nachts allein zu sein ist nicht unbedingt gut. Man lässt sich leicht ablenken und vergisst dann seine Pflichten.«
    Chaz nickte. »Machen Sie sich deswegen keine Sorgen.«
    Ray lehnte sich im Stuhl zurück und faltete die Hände über dem Kopf zusammen. »Nee, nee. Sie glauben, der gute alte Ray hat nicht die blasseste Ahnung, aber in Wirklichkeit ist das nur Tarnung!«
    »Der Robert Frost des Security-Teams.« Ray lachte und schnellte vor. »Oh!«, rief er plötzlich und schob Chaz eine Notiz hin. »Bitte schauen Sie auf jeden Fall noch im Laufe des Tages bei Judy im Büro vorbei.«
    Chaz dachte während seiner ganzen Schicht daran, dass er am Abend in die örtliche Bar am Ende der Straße gehen würde. Trinken war der Höhepunkt in seinem Leben, und er freute sich darauf, jeden Tag damit abzuschließen.
    Am Ende seiner Schicht griff er seinen Mantel und eilte zur Tür. Aber dann hielt er inne, weil er sich daran erinnerte, dass er bei Judy vorbeischauen sollte. Er lief die Treppen zum Personalbüro hinauf.
    »Wir müssen noch Ihre Fingerabdrücke nehmen, Chaz«, sagte Judy und ließ einen seiner Finger nach dem anderen auf einem Stempelkissen abrollen. Dann drückte sie sie auf eine Karte.
    »Was haben die Arbeitgeber nur vor dem Abnehmen von Fingerabdrücken gemacht?«, fragte sie und erzählte angeregt von ihrer neuen Enkelin, die in der vergangenen Nacht geboren worden war.
    »Vermutlich hatten es verurteilte Schwerverbrecher da leichter, eine Stelle zu finden.«
    Sie schob die Karte mit den Fingerabdrücken in einen großen Umschlag und klebte ihn zu.
    »Das war’s schon«, sagte sie. »Ganz einfach.« Chaz rieb seine purpurblauen Fingerspitzen aneinander, verließ das Kaufhaus und ging zur Bar.Um vier Uhr morgens fuhr Chaz aus dem Schlaf hoch. Der Raum war stickig heiß, er bekam kaum Luft; seine Bettwäsche war schweißdurchtränkt. Er setzte sich auf die Bettkante. Wohin, hatte Judy gesagt, würde sie die Fingerabdrücke schicken? Zu welchem Überprüfungsunternehmen? Hatte sie es ihm überhaupt gesagt? Was hatte er getan? Wie konnte er solch einen dummen Fehler begehen?
    Chaz blickte wieder auf die Uhr: eine Minute nach vier. Vor Montagmorgen würde Judy nicht wieder im Kaufhaus sein. Während des Wochenendes konnte er nichts in der Sache unternehmen. Er beugte sich über das Waschbecken im Badezimmer und spritzte sich Wasser ins Gesicht, während er nach einem Weg aus der Patsche suchte, in die er sich da begeben hatte. Seine Hände begannen zu zittern, und er ging in die Küche, wo er eine Dose Bier aufriss. Er kippte es hinunter, aber ein Schauder durchlief seinen Körper, und er musste drei weitere Biere trinken, damit das Zittern aufhörte.
    Chaz’ Mutter pflegte zu sagen, dass die Menschen die wichtigsten Lehren nicht aus einmaligen, sondern aus wiederkehrenden Erfahrungen zogen, die sie so lange niederzwangen, bis sie fast daran zerbrachen. Wir brauchen länger, um aus dieser Art Erfahrungen zu lernen, hatte sie gemahnt.
    Wieder und wieder tat er etwas, womit er sich sein Leben vermasselte. Er raste mit Karacho von einer dramatischen Situation in die nächste – in jeder Stadt, in der er lebte, schien er nur noch mehr an Fahrt aufzunehmen.Es würde nicht mehr lange dauern, bis er verletzt in einer von ihm selbst geschaufelten Grube landete.
    Chaz warf einen kurzen Blick auf sein Abbild in dem im Essbereich hängenden Spiegel. Gleichgültig, wie sehr er damit aufhören wollte, er machte die gleichen Dinge wieder und verachtete sich dafür. Er war an einem Punkt beständiger Finsternis angelangt und existierte nur noch irgendwie. Bis vor wenigen Monaten hatte sein Leben funktioniert, er war zurechtgekommen. Jetzt funktionierte es aus irgendeinem Grunde plötzlich nicht mehr. Er ließ sich auf den Boden fallen, die Bierdose umklammernd, und lehnte den Kopf gegen die Wand. So blieb er bis zur Dämmerung hocken.

DRITTES KAPITEL
    Wenn dir die Welt kalt erscheint,
    dann zünde ein
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