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Das vierte Skalpell

Das vierte Skalpell

Titel: Das vierte Skalpell
Autoren: Hans Gruhl
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und fuhr mit dem Stuhl herum.
    Ruschke war zurückgewichen. Sein
schweißnasses Gesicht zeigte grenzenloses Staunen. Den rechten Arm hielt er
ausgestreckt, und seine Faust umschloß den schlanken, gerillten Griff eines
Messers, dessen Klinge kurz hinter dem Heft abgebrochen war.
    Rudolfinas Skalpell. Das vierte.
    Eine rote, glühende Wut stieg in mir
hoch und schnürte mir den Hals zu.
    Ruschke der Biedere.
    Ruschke der Lustige.
    Ruschke mit dem goldenen Herzen.
    Ruschke, der mit mir Bier getrunken
hatte.
    Ruschke der Mörder.
    Ich schleuderte den Stuhl beiseite und
sprang ihn an.
    Er hob die rechte Hand mit dem
Messerstumpf, aber er ließ die linke Seite ungedeckt, und ich schmetterte ihm
meine Faust ins Gebiß. Er stöhnte und taumelte zurück. Aus seinem Mund schoß
Blut. Wieder warf ich mich vorwärts. Ruschke wich aus und wollte zur Tür. Ich
erwischte ihn kurz davor und umklammerte ihn von hinten. Er trat mit den
Absätzen nach meinen Schienbeinen, aber er traf das Eisen, und ich spürte
nichts.
    Dann aber durchfuhr mich ein heißer,
sengender Schmerz. Er hatte den Klingenstumpf in meinen Handrücken gebohrt. Ich
ließ los und sah das rieselnde Blut an meinen Fingern.
    Auf einmal war ich nicht mehr Johannes
Thomsen, den ich bisher gekannt hatte. Ein anderer war an meine Stelle
getreten, der nichts in sich fühlte als den blinden erbarmungslosen Trieb,
diesen Menschen Ruschke zu töten und zu vernichten.
    Er drehte sich und hob die Faust zum
Stoß gegen mein Gesicht.
    Ich umklammerte sein Handgelenk und
fuhr ihm mit der anderen Hand an den Hals. Ich wollte ihm mit beiden Händen die
Gurgel zuschnüren, aber ich konnte seine Faust mit dem Messerstumpf nicht
loslassen. Ich schlug seine Knöchel ein paarmal hart gegen die Wand, aber er
hielt das Messer fest. Langsam schien er zu merken, daß es nun um seinen Hals
ging.
    Er hatte die Kraft, aber weniger Luft
als ich. Er mußte schnell machen.
    Mich hinderte der Panzer. Ohne ihn
hätte ich ganz anders loslegen können. Aber ohne ihn säße ich jetzt so am
Schreibtisch wie Wildbolz vor drei Wochen.
    Mit verzweifelter Anstrengung stieß
Ruschke sich von der Wand ab.
    Wir stolperten quer durch das Zimmer.
Der Tisch stürzte um und meine Rumflasche mit ihm. Die nächsten Minuten
taumelten wir keuchend im Zimmer umher, von einer Wand an die andere. Die
Ripstapeten rissen ab, und die nackte Wand wurde sichtbar.
    Diesmal hat es nicht geklappt, Ruschke,
dachte ich. Jetzt ist es aus mit dir! Soll passieren, was will, du hast
verloren! Nicht um alles in der Welt möchte ich in deiner Haut stecken!
    Er sah grauenhaft aus.
    Das Blut aus meiner Hand war in seinem
Gesicht verschmiert, seine Lippen waren durch sein eigenes verkrustet, sein
Hemd zerrissen. Er schlug mit der linken Faust nach mir. Ich ließ seinen Hals
los, und schlug zurück. Ich brauchte nur auf mein Gesicht aufzupassen, den Rest
besorgte der Panzer.
    Aber Ruschke war noch nicht geschlagen.
Jetzt sah ich den anderen, den wirklichen Ruschke. Seine Augen sprühten Haß,
und in seinem Gesicht war nichts Gemütliches mehr.
    Mit einem plötzlichen Ruck riß er sein
Gelenk aus meinen Fingern. Ich sprang zurück.
    Haarscharf an meinen Augen sauste der
Klingenstumpf vorbei, noch einmal und noch einmal. Ich stolperte über einen
umgekippten Stuhl und fiel hin.
    Jetzt wurde es gefährlich. Ruschke war
im Vorteil. Er würde ihn nützen. Wenn er mich tötete, hatte er noch eine
winzige Chance, zu entkommen.
    Er mußte mich töten, und ich wußte, daß
er es tun wollte.
    Ich breitete die Arme aus, um mich vom
Boden abzustoßen. Meine Finger berührten den Hals der Rumflasche, die
heruntergefallen war. Ich umklammerte das Glas, und als Ruschke sich auf mich
warf und der Messerstumpf nach meinem Hals zuckte, riß ich die Flasche vom
Boden hoch und knallte sie gegen seine Faust.
    Er brüllte.
    Das Messer flog im Bogen gegen die
Wand.
    Ich konnte nicht zum zweiten Male
ausholen und stieß die Flasche von unten gegen sein Gesicht.
    Er taumelte hoch und lief zur Tür.
    Ich schleuderte ihm die Flasche nach,
mit aller Kraft und allem Haß, den ich in mir hatte.
    Hart neben seinem Kopf zersplitterte
sie an der Wand. Ein Regen von Glasscherben und Rum spritzte durch den Raum.
Ruschke schlug die Hände vor sein Gesicht und wankte. Ich brauchte einige
Sekunden, um hochzukommen. Ich griff den Stuhl, über den ich gestolpert war und
schmetterte ihn von hinten über Ruschkes Kopf und Schultern. Das Holz knirschte
und brach.
    Er rutschte ganz
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