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Das vierte Skalpell

Das vierte Skalpell

Titel: Das vierte Skalpell
Autoren: Hans Gruhl
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ihr zum Knochenraum.
    »Zieh dich schon an«, sagte ich.
    Ich telefoniere von unserem Apparat
aus.
    Es war, als wenn der Teufel
dahintersäße.
    Immer hatte ich Nogees erreicht.
Diesmal nicht.
    Nicht in seiner Wohnung und nicht im
Präsidium. Er war den ganzen Vormittag noch nicht in seinem Büro gewesen.
Ausgerechnet jetzt.
    »Was willst du machen?« fragte Evelyn
ängstlich.
    »Eist mal von hier verschwinden«, sagte
ich wütend. »Soll der Kerl umbringen, wen er will. Los, komm!«
    Wir liefen schneller als sonst durch
den Gang. In der Vorhalle saß ein Polizist, den ich schon kannte.
    »Warte einen Moment, sagte ich zu
Evelyn. »Ich komme gleich.«
    Ich winkte dem Mann zu, und er folgte
mir langsam in eine Ecke.
    Seine Augen waren kalt und gelangweilt.
    »Hören Sie«, sagte ich, »Sie müssen
Kommissar Nogees erreichen. Ich habe es eben probiert. Er ist nicht da. Im
Operationssaal fehlt ein Messer — so eins, wie die, mit denen die Ärzte
ermordet worden sind.«
    Er schwieg. Nur seine Backenmuskeln
bewegten sich.
    »Ich halte das für kein gutes Zeichen«,
sagte ich. »Ich glaube, der Kommissar muß es erfahren.«
    »Woher wissen Sie es?«
    »Von der Operationsschwester. Eben hat
sie es bemerkt. Am besten, Sie gehen selbst rauf.«
    Er notierte sich meinen Namen.
    »Ich sehe zu, daß ich den Kommissar
erwische«, sagte ich beim Gehen. »Aber versuchen Sie es auch — besser ist
besser.«
    Plötzlich hatte ich es eilig,
rauszukommen. Aber was sollte das helfen? Am Montag würde ich wieder da sein,
in der Nähe des Mörders, und ich konnte nichts tun.
    Draußen nahm ich Evelyns Arm.
    »Was kann das nur bedeuten?« fragte
sie.
    »Was Gutes auf keinen Fall. Niemand
nimmt ein Skalpell zum Kartoffelschälen mit nach Hause.«
    Wir sprachen nicht mehr, bis der Bus
kam.
    »Komm um sieben«, sagte ich. »Und denke
nicht zuviel daran. Wir spielen heute Ritter, und wenn die Welt untergeht!« »Du
rufst Nogees an?« fragte sie durch die Tür.
    »Sowie ich zu Hause bin«, sagte ich.
    Aber auch von meiner Zelle aus
erreichte ich ihn nicht.
     
     
     

XX
     
    Mein Wecker schaffte es so gerade, mich
wachzukriegen. Nichts ging über einen gesunden Mittagsschlaf. Es war ein
Viertel vor sechs.
    Ich hockte mich auf die Bettkante und
zog gähnend die Schuhe an. Skalpell und Nogees, alle beide hatten mich nicht
hindern können, mich hinzuhauen. Aber jetzt mußte Nogees da sein.
    Draußen war es dunkel und frostig. Vor
der Zelle mußte ich warten, weil eine umfangreiche Dame kein Ende fand. Als sie
endlich rauskam, hatte ich Eisbeine und steife Ohren.
    Ich drehte die Nummer der Wohnung von
Nogees und hörte das endlose Getute des Rufzeichens.
    Nichts. Teilnehmer nicht da.
    Ich drückte auf den Haken und staunte,
als beide Groschen wieder herauskamen. Der Apparat hatte schon manchen
steuerfreien Betrag von mir eingenommen.
    Ich wählte noch mal, und das Mädchen im
Präsidium meldete sich sofort. Sie stellte durch zu Nogees. Dieselbe Tuterei
und keine Antwort.
    Ich wartete, bis die Zentrale
wiederkam, verlangte irgendeinen Diensthabenden und erzählte ihm die Story.
    »Er soll unbedingt warten, bis ich
wieder anrufe«, sagte ich. »Im Amt oder in seiner Wohnung, das ist egal. Wenn
ich ihn nicht erreiche, melde ich mich noch mal bei Ihnen.«
    »Tun Sie das«, sagte er. Für ihn war
die Geschichte eine unter vielen. Kein Grund zur Aufregung. Ich hängte ab.
    Die trübselige Straße, die ich
zurückging, erweckte eine beklemmende Vorstellung in mir.
    Warum war Nogees nicht zu finden? Hatte
er das fehlende Skalpell im Kreuz?
    Unsäglich verlassen kam ich mir bei dem
Gedanken vor...
    Zwanzig nach sechs war ich wieder zu
Hause. Meine Laune war nicht die beste. Ein dreifacher Rum würde guttun.
    Er tat es auch. Ich überlegte, was ich
tun sollte. Langsam anziehen wäre das vernünftigste und würde schmerzloser sein
als mit Evelyns Hilfe.
    Ich packte die Klamotten aus und
schälte mich aus meinem bürgerlichen Anzug. Das Hemd behielt ich an. Dann zog
ich meine bildschönen langen Unterhosen aus und stieg in die hellblauen kurzen.
Sie saßen etwas stramm, waren dafür aber so lang, daß der Spitzenbesatz meine
Kniescheiben berührte. Bücken war gefährlich.
    Dann hing ich mir die Brünne um. Die
Schnallen selbst zuzukriegen, erwies sich als nahezu ausgeschlossen. Ich
klemmte mir mehrmals erheblich das Fettpolster ein, viel heftiger, als Evelyn
es gekonnt hatte. Ich stieß ein paar Verwünschungen aus, die eine bayerische
Marktfrau
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