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Das vierte Skalpell

Das vierte Skalpell

Titel: Das vierte Skalpell
Autoren: Hans Gruhl
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auch keine Sohlen.«
    »Nett, daß du es sagst«, meinte ich.
»Dann weiß ich, wie die Splitter in meine Füße kommen. Werden sie mich so
überhaupt reinlassen?«
    »Mit Kußhand! Herzog Kasimir wird dir
sogar einen Orden anstecken.«
    »Wer ist Herzog Kasimir?«
    »Der oberste damische Ritter. Morgen
unterstehst du ihm.«
    »Er wird begeistert sein«, sagte ich.
»Ziehst du mir das Ding wieder aus, oder muß ich damit ins Bett gehen?«
    Sie löste die Verschlüsse, und ich
kroch raus.
    »Wie lange geht der Ball?«
    »Ach, so bis vier oder fünf.«
    »Gute Nacht«, sagte ich. »Dann muß mich
die Feuerwehr nach Hause bringen. Das Möbel wiegt schwerer als eine
Fleischersfrau.«
    »Du wirst sehen, nach ein paar Stunden
spürst du es gar nicht mehr. Gibt’s jetzt endlich was zu trinken?«
    Ich goß uns einen ein. »Als was kommst
du?« fragte ich.
    »Wird nicht verraten.«
    »Möchte auch mit dir anprobieren.«
    »Das könnte dir so passen. Morgen abend
siehst du es.«
    Sie trank und schüttelte sich.
    »Wieder scheußlich viel Rum drin!«
    »Kann ich gar nicht finden«, sagte ich.
»Wann fängt es denn an?«
    »Um acht. Halb acht müssen wir hier
weg.«
    »Du willst mich abholen?«
    »Ja. Ich muß dir doch beim Anziehen
helfen.«
    »Prima. Dabei können wir noch einen
nehmen. Nichts ist scheußlicher als ein stocknüchterner Ritter.«
    Ich bemerkte, daß Evelyn zur Tür sah
und lauschte.
    »Was ist denn?«
    »Still mal — hörst du nichts?«
    Ich reckte meine Ohren, aber ich
vernahm nichts.
    »Es hörte sich so an, als wäre jemand
draußen.«
    Wir blieben still und warteten. Die
Zimmertür war nur angelehnt. Aber kein Laut kam herein.
    »Ich hätte schwören können, daß jemand
draußen war«, sagte Evelyn.
    »So fängt es meistens an. Tröste dich.
Es kann die Hausmeisterin gewesen sein, oder irgend jemand, der im Hause nach
Leuten suchte.«
    »Gib mir eine Zigarette«, sagte sie.
    Nach einer Weile fragte sie zögernd: »Wie
— war denn das mit Wildbolz?«
    »Nicht schön«, sagte ich. »Er saß dort
im Stuhl, vor deinem Bild. Das Messer hatte er an der gleichen Stelle wie die
beiden anderen. Kein Kampf, keine Unordnung, nichts. Muß ein guter Bekannter
von ihm gewesen sein.«
    Es sah aus, als ob sie fröstelte.
    »So nett es hier ist — mir ist der Raum
unheimlich. Diese Wände, diese Möbel — die haben es mit angesehen. Und ich hielt
ihn für den Mörder. Als der Professor tot war, und der Kommissar mich nach
Wildbolz fragte...«
    »Wie kam er überhaupt auf dich?«
    »Er traf mich auf dem Gang, als ich
unterwegs zur Zwei war. Erst starrte er mich an, und dann nahm er mich mit.
Erst heute weiß ich, worauf er hinauswollte.«
    Sie schwieg und zog den Rauch tief in
die Lunge.
    »Immer muß man an den verdammten Kram
denken«, sagte ich wütend. »Eben waren wir noch so fröhlich.«
    »Es wird viel Zeit vergehen, bis ich
nicht mehr daran denke«, sagte Evelyn.
    Sie verließ mich, als ihre Zigarette zu
Ende war. Ich brachte sie zum Bus, wie schon einmal. Bevor er anrollte, bekam
ich noch einen Kuß. Dann winkte sie wieder hinter der Scheibe und verschwand.
    Ich ging zurück und freute mich über
mein Glück. Was konnte mir noch passieren, wenn sie mich liebte?
    Irgendein Narr hatte inzwischen die
Haustür abgeschlossen. Ich fummelte lange mit den Schlüsseln herum. Als ich zur
Treppe kam, sah ich nach unten, um nicht danebenzutreten.
    Im nächsten Augenblick wußte ich, daß
Evelyn recht gehört hatte.
    Wir hatten trockene Schuhe gehabt, als
wir herauskamen. Jetzt hatte ich die Treppe noch nicht betreten. Evelyns Spur,
die sie hinterlassen hatte, als sie gekommen war, mußte längst getrocknet sein.
Aber das Licht fing sich zu beiden Seiten der Treppe in großen, nassen
Abdrücken. Sie führten hinunter zur Tür und wieder hinauf.
    Vor meiner Schwelle sah ich den
gleichen schmierigen Schmutz wie gestern.
    Wieder war der unheimliche Besucher
dagewesen und gegangen.

XIX
     
    Der nächste Tag, Sonnabend, der 19.
Februar, brachte das Ende dieser Geschichte und zugleich das Ende des größten
Abenteuers, das ich bisher erlebt hatte.
    Am Morgen erzählte ich Evelyn nichts
von meiner Entdeckung und dem Besuch, den sie gehört, aber nicht gesehen hatte.
Es würde ihr nur die Laune verderben.
    Wir beeilten uns mächtig.
    »Firma Hennecke und Tochter«, sagte
Ruschke. »Wat habt ihr denn heute?«
    »Sie sprechen mit einem Ritter, Herr«,
sagte ich mit Würde.
    »Heute abend kennen Sie mich nicht
wieder.«
    »Wollen
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