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Das vielfarbene Land

Das vielfarbene Land

Titel: Das vielfarbene Land
Autoren: Julian May
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Weg entlang und streuten Blumen, während Flageoletts und Posaunen eine lebhafte Melodie anstimmten. Gaukler, Akrobaten und ein Tanzbär schlössen sich an. Die Prinzessin blies Kußhände in die Menge, und der Herzog verteilte einige Goldstücke.
    »Die Höflinge sind dran«, sagte Gaston.
    Die Frau an der Kontrollkonsole saß bewegungslos. Bryan Grenfell sah Schweißtropfen auf ihrer Stirn. Ein paar ins Gesicht fallende kastanienbraune Locken waren feucht. Sie kniff die Lippen zusammen.
    »Mercy, was ist?« flüsterte Grenfell. »Was stimmt nicht?«
    »Nichts«, antwortete sie. Ihre Stimme klang heiser und angestrengt. »Höflinge ab, Gaston.«
    Drei junge Männer, ebenfalls in Grün, galoppierten aus dem Wald auf den Zug der Edelleute zu, Bündel grüner Zweige im Arm. Mit viel Gekicher wanden die Damen Kränze daraus und krönten die Kavaliere ihrer Wahl. Die Männer revanchierten sich mit duftigen Rosenkränzen für die Mädchen, und dann ritten sie alle weiter zu der Wiese, wo der Maibaum wartete. In der Zwischenzeit verteilten, von
    Mercys Befehlen gesteuert, barfüßige Mädchen und grinsende Jungen Blumen und grüne Zweige an die etwas verlegene Menge und riefen dazu: »Vert! Vert pour le mai!«
    Genau aufs Stichwort begannen der Herzog und seine Gesellschaft mit Flötenbegleitung zu singen:

    »C'est le mai, c'est le mai,
    C'est le joli mois de mai!«

    »Sie haben schon wieder den falschen Ton«, regte sich Gaston auf. »Spiel die Füllstimmen ein, Merce. Laß die Lerchen trillern und ein paar gelbe Schmetterlinge fliegen.« Er rief über den Regie-Kanal: »Eh, Minou! Da verdeckt eine Gruppe das Pferd des Herzogs. und paß auf den Jungen in Rot auf. Der sieht ganz so aus, als wolle er an den Glocken ziehen, die der Prinz am Wehrgehenk hat.«
    Mercedes Lamballe tat, wie ihr geheißen war, und verstärkte den Chor. Die ganze Menschenmenge stimmte in das Lied ein. Sie hatte auf dem Weg von der Krönung Karls des Großen hierher darauf geschlafen. Mercy ließ Vogelgesang den blühenden Obstgarten füllen und gab das Signal, das die Schmetterlinge aus ihren versteckten Käfigen entließ. Von sich aus beschwor sie eine duftende Brise herauf, um den Touristen Kühlung zu verschaffen. Sie waren von Aquitaine und Neustria und Blois und Foix und all den anderen »französischen« Planeten des Galaktischen Milieus zusammen mit Frankophilen und Liebhabern des irdischen Mittelalters von zwei Dutzend anderen Welten gekommen, um die glorreiche Vergangenheit der Auvergne zu genießen.
    »Inzwischen wird ihnen warm geworden sein, Bry«, bemerkte Mercedes zu Grenfell. »Mit etwas Wind werden sie sich wohler fühlen.«
    Bryans Anspannung ließ nach, als er den normaleren Klang ihrer Stimme hörte. »Ich vermute, es gibt Grenzen für die Unbequemlichkeiten, die sie im Namen der kulturellen Immersionsspiele auf sich nehmen.«
    »Wir reproduzieren die Vergangenheit«, antwortete Lamballe, »wie wir sie gern gehabt hätten. Die Realität des mittelalterlichen Frankreich ist eine ganz andere Geschichte.«
    »Da haben sich welche abgesondert, Merce.« Gastons
    Hände flogen in Vorbereitung der Maibaum-Choreographie über das Kontrollpaneel. »Ich erkenne zwei oder drei Nichtmenschen darunter. Wahrscheinlich diese vergleichenden Ethnologen von der Krondak-Welt, vor denen wir gewarnt wurden. Schick lieber einen Troubadour zu ihnen rüber, damit sie Frieden halten, bis sie wieder Anschluß an die Hauptgruppe haben. Diese reisenden Feuerwehrmänner sind imstande, gehässige Kritiken zu schreiben, wenn man zuläßt, daß sie sich langweilen.«
    »Einige von uns bewahren sich ihre Objektivität«, meinte Grenfell milde.
    Der Regisseur schnaubte. »Ja, du bist auch nicht da draußen und trampelst auf einer Welt mit niedrigem subjektivem Sauerstoffgehalt und doppelter subjektiver Schwerkraft unter heißer Sonne durch Pferdemist! ... Merce? Verdammt nochmal, Mädchen, schläfst du schon wieder?«
    Bryan erhob sich von seinem Sitz und trat zu ihr, das Gesicht voll tiefer Besorgnis. »Gaston siehst du nicht, daß sie krank ist?«
    »Bin ich nicht!« fuhr Mercy auf. »In einer oder zwei Minuten wird es vorbei sein. Troubadour ab, Gaston!«
    Auf dem Monitor erschien die Großaufnahme eines Sängers, der sich vor der kleinen Gruppe der Nachzügler verbeugte, eine Saite seiner Laute anschlug und die Leute geschickt auf den Maibaum-Platz zudirigierte, während er sie mit Gesang ablenkte. Die durchdringende Süße seines Tenors erfüllte den
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