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Das vielfarbene Land

Das vielfarbene Land

Titel: Das vielfarbene Land
Autoren: Julian May
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einem mit Schlingpflanzen bewachsenen Gazebo sehr ähnlich. Aber der Rahmen bestand aus transparentem glasartigem Material, ausgenommen eigentümliche knotenförmige Bauteile, die schwarz waren, und die "Schlingpflanzen" waren in Wirklichkeit Kabel aus farbigen Legierungen, die aus dem Kellerboden zu wachsen schienen. Sie krochen auf beunruhigende Weise in das Gitterwerk hinein und wieder heraus und verschwanden abrupt an einem Punkt dicht unterhalb der Decke.
    Als der Schemel und die Möhre in der richtigen Position waren, gesellte sich Guderian seinen Gästen zu und aktivierte den Apparat. Zu hören war nichts. Das Gazebo schimmerte kurz. Dann schien es, als bildeten sich plötzlich spiegelnde Wände, die das Innere völlig verbargen.
    »Sie werden verstehen, daß eine gewisse Wartezeit jetzt angemessen ist«, sagte der alte Mann. »Die Möhre zeitigt fast immer ein Ergebnis, aber manchmal gibt es auch eine Enttäuschung.«
    Die sieben Besucher warteten. Der breitschultrige Mensch hielt seine Buchplatte mit beiden Händen umklammert, wandte seine Augen aber nicht einmal von dem Gazebo ab. Der andere aus den Kolonien stammende Mensch, ein ruhiger Typ von einem Institut auf Londinium, warf diskret einen prüfenden Blick auf das Kontrollpaneel. Der Gi und der Poltroyaner lasen seelenruhig in ihren Büchlein. Einer der jüngeren Simbiari ließ versehentlich einen smaragdgrünen Tropfen fallen und beeilte sich, ihn in den Kellerboden zu reiben.
    Ziffern auf dem Wand-Chronometer flackerten vorbei. Fünf Minuten. Zehn.
    »Wir wollen sehen, ob unser Wild da ist«, sagte der Professor und zwinkerte dem Mann von Londinium zu.
    Das spiegelnde Kraftfeld schaltete sich ab. Eine bloße Nanosekunde lang sahen die verblüfften Wissenschaftler ein ponyähnliches Geschöpf innerhalb des Gazebos stehen. Es verwandelte sich auf der Stelle in ein Skelett. Als die Knochen niederfielen, lösten sie sich zu einem gräulichen Pulver auf.
    »Scheiße!« riefen die sieben hervorragenden Wissenschaftler.
    »Beruhigen Sie sich, Kollegen«, sagte Guderian. »Ein solches denouement ist leider unvermeidlich. Aber anhand eines Zeitlupen-Hologramms werden wir unsern Fang identifizieren können.«
    Er schaltete einen verborgenen Drei-D-Projektor ein und ließ das Bild an einer bestimmten Stelle stehen. Es zeigte sich ein kleines, pferdeähnliches Tier mit liebenswerten schwarzen Augen, dreizehigen Füßen und einem rostroten Fell mit schwachen weißen Streifen. Karottenlaub hing ihm aus dem Maul. Der hölzerne Schemel stand neben ihm.
    »Hipparion gracile. Eine kosmopolitische Spezies, die im Pliozän der Erde zahlreich vertreten war.«
    Guderian ließ den Projektor weiterlaufen. Der Schemel löste sich auf. Fell und Fleisch des Pferdchens schrumpften mit schrecklicher Langsamkeit, schälten sich von dem Knochengerüst und explodierten zu einer Staubwolke, während gleichzeitig die inneren Organe anschwollen, schrumpften und ins Nichts verpufften. Die Knochen standen noch aufrecht. Dann sanken sie in anmutigen Bogen langsam zur Erde. Der erste Kontakt mit dem Kellerboden führte sie auf ihre mineralischen Bestandteile zurück.
    Der sensible Gi stieß einen Seufzer aus und schloß seine großen gelben Augen. Der Londinier war blaß geworden, während der andere Mensch, der von der zerklüfteten, finsteren Welt Shqipni stammte, auf seinem großen braunen Schnurrbart kaute. Der junge Simb, der sich schon einmal nicht hatte beherrschen können, beeilte sich, einen Papierkorb zu benutzen.
    »Ich habe es mit pflanzlichen und tierischen Ködern in meiner kleinen Falle versucht«, berichtete Guderian. »Eine Möhre, eine Maus oder ein Kaninchen überstehen die Reise ins Pliozän, ohne Schaden zu erleiden, aber bei der Rückkehr bricht jedes lebende Ding, das sich innerhalb des Tau-Feldes befindet, unweigerlich unter der Last von mehr als sechs Millionen Jahren irdischer Existenz zusammen.«
    »und anorganische Materie?« erkundigte sich der Skipetar.
    »Wenn sie eine bestimmte Dichte, eine bestimmte kristalline Struktur hat dann überstehen viele Proben die Rundreise in recht gutem Zustand. Ich habe sogar zwei organische Stoffe erfolgreich hin- und hergeschickt: Bernstein und Kohle.«
    »Aber das ist ungeheuer interessant!« rief der Erste Kontemplator des 26. Kollegs von Simb. »Die Theorie der temporalen Faltung hat einige siebzigtausend unserer Jahre in unsern Archiven geruht, mein würdiger Guderian, aber den besten Köpfen des Galaktischen Milieus ist
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