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Das Versteck

Das Versteck

Titel: Das Versteck
Autoren: Dean R. Koontz
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dem natürlichen Auftrieb ihres Körpers Widerstand leisten zu können, tastete sie im Dunkeln umher, bis sie schließlich das Lenkrad und dann auch ihren Mann fand.
    Endlich fühlte sie wieder Wärme in sich aufsteigen, aber es war keine positive Energie. Vielmehr begann ihre Lunge aus Atemnot zu brennen.
    Sie packte Hatch am Jackett und zog mit aller Kraft – und zu ihrer Überraschung trieb er von seinem Sitz empor, plötzlich nicht mehr irgendwo eingeklemmt, sondern frei und leicht beweglich. Er blieb am Lenkrad hängen, aber nur kurz, und dann konnte Lindsey ihn durch die Windschutzscheibe ziehen, während sie selbst auf der Motorhaube rückwärts kroch, um ihm Platz zu machen.
    Ein heißer, pulsierender Schmerz erfüllte ihre Brust. Das Bedürfnis zu atmen wurde schier unerträglich, aber noch konnte sie ihm widerstehen.
    Sie riß Hatch in ihre Arme und stieß sich erst dann zur Oberfläche hin ab. Er war bestimmt ertrunken, und höchstwahrscheinlich umklammerte sie eine Leiche, aber dieser makabre Gedanke machte ihr nichts aus. Wenn es ihr gelang, ihn ans Ufer zu bringen, konnte sie künstliche Beatmung versuchen. Obwohl die Chance sehr gering war, daß ihre Wiederbelebungsversuche erfolgreich sein würden, blieb doch immerhin noch ein Funken Hoffnung. Er war nicht wirklich tot, war keine richtige Leiche, bis auch der letzte Hoffnungsschimmer erlosch.
    An der Oberfläche fiel sofort ein heulender Wind über sie her, und verglichen damit kam ihr sogar das eisige Wasser plötzlich fast warm vor. Als diese Luft in ihre brennende Lunge stieß, stockte ihr Herzschlag, und ihre Brust zog sich vor Schmerz zusammen. Es kostete sie große Überwindung, überhaupt ein zweites Mal einzuatmen.
    Sie hielt Hatch krampfhaft fest, während sie mit den Füßen Wasser trat und innerlich fluchend spuckte und schnaubte, weil die Wellen ihr immer wieder ins Gesicht schlugen. Die Natur schien lebendig zu sein, ein riesiges feindseliges Tier, und so unvernünftig das auch sein mochte, fühlte sie doch Zorn auf den Fluß und den Sturm in sich aufsteigen, so als wären es Geschöpfe, die sich absichtlich gegen sie verschworen hatten.
    Sie versuchte sich zu orientieren, aber das war alles andere als einfach, im Dunkeln, bei brausendem Wind und ohne festen Boden unter den Füßen. Als sie das Ufer sah, dessen Schneedecke ein wenig schimmerte, wollte sie mit Hatch im Schlepptau darauf zuschwimmen, aber die Strömung war viel zu stark, und sogar wenn sie beide Arme hätte einsetzen können, wäre sie nicht dagegen angekommen. So wurden Hatch und sie stromabwärts getrieben, vom Sog mehrfach unter Wasser gezogen, aber jedesmal wieder in die Winterluft zurückgestoßen, und von Ästen und Eisschollen zerkratzt, die ebenfalls im Fluß gefangen waren. Unerbittlich riß er seine hilflosen Opfer mit sich, den tödlichen Wasserfällen oder Stromschnellen entgegen, die auf seinem Weg vom Gebirge ins Tal mit Sicherheit irgendwo lauerten.
4
    Er hatte zu trinken begonnen, als Myra ihn verließ. Ohne Frau war er nie mit dem Leben zurechtgekommen. Junge, was für eine Entschuldigung. Würde Gott der Allmächtige irgend etwas anderes tun, als ihn mit Verachtung zu strafen, wenn der Tag des Jüngsten Gerichts anbrach?
    Sich immer noch an der Leitplanke festhaltend, kauerte Bill Cooper unschlüssig am Rand des Steilabhangs und starrte angestrengt zum Fluß hinab. Hinter den Schneevorhängen waren die Lichter des Honda erloschen.
    Er traute sich nicht, seinen Blick von der dunkel gewordenen Stelle dort unten abzuwenden und auf dem Highway nach dem Rettungsdienst Ausschau zu halten. Er befürchtete, den Männern dann keine exakten Angaben mehr über den verschwundenen Lichtpunkt machen zu können und sie versehentlich zu einem falschen Uferabschnitt zu dirigieren. Die verschwommene Schwarzweißwelt am Fluß bot wenig markante Anhaltspunkte.
    »Los, nun beeilt euch doch«, murmelte er.
    Der Wind, der Bill ins Gesicht peitschte, ihm Tränen in die Augen trieb und seinen Schnurrbart mit Schnee verkrustete, heulte so laut, daß er die Sirenen übertönte, bis die Fahrzeuge ein Stück hügelaufwärts um die Kurve bogen und die Nacht mit ihren Scheinwerfern und Blaulichtern belebten. Bill erhob sich und schwenkte die Arme, um ihre Aufmerksamkeit auf sich zu lenken, ließ den Fluß dabei aber nach wie vor nicht aus den Augen.
    Hinter ihm hielten die Wagen am Straßenrand. Weil eine der Sirenen schneller verstummte als die andere, wußte er, daß es zwei
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