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Das Versteck

Das Versteck

Titel: Das Versteck
Autoren: Dean R. Koontz
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Geheimnisvolles, Übernatürliches hatten, so als blickte sie zur wundersamen Aura einer schwebenden göttlichen Präsenz empor.
    Nur ganz allmählich begriff sie, daß dort oben auf dem Highway die Warnleuchten von Polizei oder Rettungsdienst blinkten, und gleich darauf entdeckte sie auch den hellen Schein von Taschenlampen, deren Strahlen die Finsternis wie Silberschwerter durchschnitten. Die Retter hatten den Steilabhang schon bewältigt und waren höchstens hundert Meter entfernt, an der Stelle, wo das Auto versunken war.
    Sie rief nach ihnen, aber ihr Schrei war nicht lauter als ein Flüstern. Sie versuchte es noch einmal, mit größerem Erfolg, aber der heulende Wind übertönte offenbar auch diesmal ihre Stimme, denn die Taschenlampen blieben weiterhin auf jenen Uferabschnitt und das unruhige Wasser gerichtet, glitten dort suchend hin und her.
    Sie bemerkte plötzlich, daß Hatch wieder aus ihren Armen zu gleiten drohte. Sein Gesicht war unter Wasser.
    Lindseys Angst schlug blitzschnell und für sie selbst unerwartet wieder in Zorn um. Sie war wütend auf den Lastwagenfahrer, der sich im Gebirge von einem Schneesturm überraschen ließ, wütend auf sich selbst wegen ihrer körperlichen Schwäche, sie war aus unerfindlichen Gründen wütend auf Hatch, sie war wütend auf den kalten und gnadenlosen Fluß, und sie war außer sich vor Wut auf Gott, der ein so gewalttätiges und ungerechtes Universum erschaffen hatte.
    Der Zorn verlieh ihr mehr Kraft als ihre Angst. Sie verschränkte ihre halb erfrorenen Hände, um Hatch besser festhalten zu können, zog seinen Kopf wieder aus dem Wasser und stieß einen gellenden Hilfeschrei aus, der lauter war als die klagende Stimme des Windes. Stromaufwärts schwenkten alle Taschenlampen sofort suchend in ihre Richtung.
6
    Das verunglückte Paar sah aus, als wäre es schon tot. Von den Taschenlampen angestrahlt, schwammen die beiden Gesichter auf dem dunklen Wasser, gespenstisch weiß – durchsichtig, unwirklich, verloren. Lee Reedman, ein County Deputy Sheriff aus San Bernardino, der für Rettungseinsätze ausgebildet war, watete ins Wasser, um die Todeskandidaten an Land zu bringen, wobei er sich an den Felsen stützte, die in den Fluß hineinragten. Er war mit einem zentimeterdicken Nylontau gesichert, das eine Reißfestigkeit von viertausend Pfund hatte, am Stamm einer großen Fichte befestigt war und von zwei anderen Polizisten festgehalten und langsam ausgelassen wurde.
    Er hatte seinen Parka ausgezogen, aber die Uniform und die Stiefel anbehalten. Bei einer derart starken Strömung war an Schwimmen sowieso nicht zu denken, so daß er nicht befürchten mußte, durch seine Kleidung behindert zu werden. Und sie würde, sogar noch in klatschnassem Zustand, die beißende Kälte immerhin ein klein wenig abhalten und dafür sorgen, daß seine Körpertemperatur nicht ganz so schnell sank.
    Doch schon eine Minute nachdem er in den Fluß gestiegen war, etwa auf halber Strecke zu den Verunglückten, hatte Lee das Gefühl, als wäre ihm ein Kühlmittel in den Blutkreislauf injiziert worden. Er konnte sich nicht vorstellen, daß er noch mehr gefroren hätte, wenn er sich nackt in diese eisigen Fluten gestürzt hätte.
    Er hätte lieber auf das Winter-Rettungsteam gewartet, das bereits unterwegs war, denn das waren Männer, die Erfahrung darin hatten, Skifahrer aus Lawinen zu befreien und sorglose Schlittschuhläufer zu retten, die durch eine zu dünne Eisdecke eingebrochen waren. Dieses Team war mit wasserisolierten Schutzanzügen und allem anderen notwendigen Zubehör ausgestattet. Aber die Situation ließ keinen Aufschub zu; die Leute im Fluß würden nicht durchhalten, bis die Spezialisten eintrafen.
    Er kam zu einer anderthalb Meter breiten Lücke zwischen den Felsen, durch die das Wasser mit einer Kraft schoß, als würde es auf der anderen Seite von einer riesigen Pumpe angesaugt. Er wurde von der Strömung umgeworfen, aber die Männer am Ufer hielten das Seil so straff, daß er nicht in den Spalt abgetrieben wurde. Er schluckte einen Mundvoll Wasser, das so bitterkalt war, daß seine Zähne schmerzten, und ruderte wild mit den Armen, aber schließlich fand er Halt am nächsten Felsen und zog sich hinüber.
    Eine Minute später erreichte Lee, nach Atem ringend und vor Kälte zitternd, das Paar. Der Mann war bewußtlos, aber die Frau nahm ihre Umgebung noch wahr. Die sich überlappenden Strahlen der Taschenlampen am Ufer zuckten über die Gesichter der beiden, die in
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