Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Versteck

Das Versteck

Titel: Das Versteck
Autoren: Dean R. Koontz
Vom Netzwerk:
Fahrzeuge waren, wahrscheinlich eine Polizeistreife und ein Rettungswagen.
    Sie würden seine Whiskeyfahne riechen. Nein, in diesem Sturm und bei dieser Eiseskälte vielleicht doch nicht. Er war überzeugt, daß er für seine Tat den Tod verdiente – aber falls er nicht sterben sollte, dann, fand er, hatte er es nicht verdient, seinen Job zu verlieren. Es waren schwere Zeiten. Eine Rezession. Gute Jobs waren nicht leicht zu bekommen.
    Der Widerschein der sich drehenden Warnlichter zauberte in der Nacht stroboskopische Effekte hervor, so daß sich die Realität in einen abgehackten und technisch mangelhaften Trickfilm zu verwandeln schien, in dem der leuchtend rote Schnee wie blutiger Gischt zögernd aus den Wunden des Himmels tropfte.
5
    Früher als Lindsey gehofft hatte, wurden Hatch und sie gegen eine Ansammlung glattgewaschener Felsen geschwemmt, die mitten im Flußlauf emporragten wie stark abgenutzte Zähne. Glücklicherweise war die Lücke, in die sie gedrückt wurden, so schmal, daß die Strömung sie nicht weiter mit sich forttragen konnte. Das Wasser schäumte und gurgelte um sie herum, aber mit den Felsen im Rücken brauchte Lindsey wenigstens nicht mehr gegen die gefährliche Gegenströmung anzukämpfen.
    Sie fühlte sich völlig ausgelaugt. Ihre schlaffen Muskeln gehorchten ihr kaum noch, und es fiel ihr immer schwerer zu verhindern, daß Hatchs Kopf vornüber ins Wasser sank, obwohl das nun, da sie nicht mehr gegen den Fluß ankämpfen mußte, eigentlich relativ einfach hätte sein sollen.
    Obwohl sie es nicht fertigbrachte, Hatch einfach loszulassen, war es im Grunde doch sinnlos, seinen Kopf über Wasser zu halten: er war ertrunken. Sie konnte sich nicht vormachen, daß er noch lebte. Und mit jeder Minute wurde es unwahrscheinlicher, daß künstliche Beatmung ihn noch wiederbeleben könnte. Aber sie würde nicht aufgeben. Sie wollte nicht aufgeben. Sie wunderte sich selbst über ihre leidenschaftliche Weigerung, die Hoffnung aufzugeben, hatte sie doch kurz vor dem Unfall noch geglaubt, nie wieder Hoffnung haben zu können.
    Die beißende Kälte des Wassers betäubte nicht nur Lindseys Körper, sondern benebelte auch ihren Verstand. Sie versuchte vergeblich, sich zu konzentrieren und einen Plan zu entwickeln, wie sie von der Flußmitte ans Ufer gelangen könnte. Es war ihr unmöglich, auch nur einen klaren Gedanken zu fassen. Sie wußte, daß Schläfrigkeit eine Begleiterscheinung von starker Unterkühlung war, daß ein Eindösen zu tieferer Bewußtlosigkeit und letzten Endes zum Tode führen würde. Sie war fest entschlossen, um jeden Preis wach und auf der Hut zu bleiben – aber plötzlich merkte sie, daß sie die Augen geschlossen hatte und nahe daran gewesen war, dem schier übermächtigen Schlafbedürfnis nachzugeben.
    Angst durchzuckte sie wie ein Blitz. In ihren Muskeln regten sich neue Kräfte. Sie zwinkerte fieberhaft mit eisverklebten Wimpern, denn ihre Körperwärme reichte nicht mehr aus, den Schnee schmelzen zu lassen. Als sie an Hatch vorbei an den runden Steinen entlangspähte, stellte sie fest, daß das rettende Ufer nur knapp fünf Meter entfernt war. Wenn die Felsen dicht beieinander lagen, könnte sie Hatch vielleicht an Land schleppen, ohne durch einen Spalt geschwemmt und stromabwärts getrieben zu werden.
    Ihr Sehvermögen hatte sich mittlerweile jedoch soweit an die Dunkelheit gewöhnt, daß sie eine etwa anderthalb Meter breite Lücke erkennen konnte, wo sich der geduldige Fluß in Jahrhunderten einen Weg durch den Granit gebahnt hatte. Diese Lücke befand sich etwa auf halber Strecke zwischen ihr und dem Ufer. Das ebenholzfarbene Wasser schimmerte matt unter einem zarten Spitzenschal aus Eis und wurde vor dem Spalt immer schneller; auf der anderen Seite schoß es mit gewaltiger Kraft hervor, daran gab es für Lindsey überhaupt keinen Zweifel.
    Sie wußte, daß sie viel zu schwach war, um dieses Hindernis überwinden zu können. Hatch und sie würden von der Strömung mitgerissen werden, dem sicheren Tod entgegen.
    Als es ihr gerade wieder verführerisch vorzukommen begann, einfach den Widerstand aufzugeben und in einen endlosen Schlaf zu sinken, anstatt den sinnlosen Kampf gegen die feindliche Macht der Natur fortzusetzen, sah sie seltsame Lichter am oberen Rand der Schlucht, einige hundert Meter flußaufwärts. Sie war so verwirrt und ihr Verstand von der Kälte so betäubt, daß die kreisenden Lichtstrahlen für sie im ersten Augenblick etwas Gespenstisches,
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher