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Das Versteck

Das Versteck

Titel: Das Versteck
Autoren: Dean R. Koontz
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übernatürliche Weise bodenlos zu sein, und die unergründliche Tiefe erweckte in Bill die Vorstellung, als blickte er in die Verdammnis hinab, die ihn nach dem Ende seines Lebens erwarten würde. Ihn lähmte jenes Gefühl von Nichtigkeit, das mitunter sogar die besten Menschen überkommt – normalerweise allerdings um drei Uhr morgens, wenn sie allein im Bett liegen und die sinnlosen Schattenmuster an der Decke anstarren.
    Dann teilten sich die Schneevorhänge für kurze Zeit, und er konnte erkennen, daß die Schlucht doch nicht so tief war, wie er befürchtet hatte, schätzungsweise dreißig bis vierzig Meter. Er trat einen Schritt nach vorn, in der Absicht, den gefährlich steilen Abhang hinabzusteigen und den Überlebenden zu helfen – falls es Überlebende gab. Aber dann zögerte er auf dem schmalen Streifen flachen Bodens am Rande des Abgrunds, weil der Whiskey ihn benommen machte, aber auch, weil er nicht sehen konnte, wo der Wagen zum Stehen gekommen war.
    Ein gewundener schwarzer Streifen zog sich wie ein Band aus Satin durch den Schnee dort unten und kreuzte die Spuren, die der Wagen hinterlassen hatte. Bill zwinkerte verständnislos, als starrte er auf ein abstraktes Gemälde, bis ihm schließlich einfiel, daß es am Boden der Schlucht einen Fluß gab.
    Das Auto war in diesen ebenholzfarbenen Wasserstreifen gestürzt.
    Nach einem Winter mit extrem starken Schneefällen war es vor einigen Wochen wärmer geworden, und die Schneeschmelze hatte vorzeitig eingesetzt. Kürzlich war der Winter zwar noch einmal zurückgekehrt, aber der Fluß hatte nicht genug Zeit gehabt, eine neue feste Eisdecke zu bilden. Die Wassertemperatur mußte bei wenigen Grad über Null liegen. Selbst wenn ein Wageninsasse den Absturz überlebt hatte und auch nicht ertrunken war, würde er sehr schnell erfrieren.
    Wenn ich nüchtern gewesen wäre, dachte er, wäre ich bei diesem Wetter umgekehrt. Ich bin eine jämmerliche Figur, ein versoffener Bierfahrer, dem es sogar an der Loyalität fehlt, sich wenigstens auch mit Bier vollaufen zu lassen. Herrgott noch mal!
    Nur weil er so eine jämmerliche Figur war, mußten Menschen sterben. Er fühlte Übelkeit in sich aufsteigen, unterdrückte aber den Brechreiz.
    Fieberhaft ließ er seine Blicke durch die dunkle Schlucht schweifen, bis er ein gespenstisches Leuchten wie von einem außerirdischen Wesen bemerkte, das sich rechts von ihm stromabwärts bewegte. Weiches bernsteinfarbenes Licht, das im Schneetreiben verschwand und wieder auftauchte. Das mußte die Innenbeleuchtung des Honda sein, der den Fluß hinuntertrieb.
    Um sich vor dem eisigen Wind so gut es ging zu schützen, zog Bill den Kopf möglichst tief zwischen die Schultern, während er am Rand des Abhangs durch den Schnee stapfte, wobei er sich vorsichtshalber an der Leitplanke festhielt, für den Fall, daß er ausrutschen würde. Er folgte der Richtung des unten im Wasser treibenden Wagens und versuchte dabei, ihn nicht aus den Augen zu verlieren. Anfangs schwamm der Honda sehr schnell, wurde dann aber immer langsamer. Schließlich bewegte er sich überhaupt nicht mehr von der Stelle. Vielleicht war er an einem Felsen oder an einem Ufervorsprung hängengeblieben.
    Das Licht wurde allmählich schwächer, so als wäre die Batterie bald erschöpft.
3
    Obwohl sie Hatch vom Sicherheitsgurt befreit hatte, schaffte Lindsey es nicht, ihn zu bewegen, vielleicht weil seine Kleider sich irgendwo verfangen hatten oder weil sein Fuß unter dem Gaspedal oder unter dem Sitz eingeklemmt war.
    Das Wasser stieg über Hatchs Nase. Lindsey konnte seinen Kopf nicht höher halten. Er mußte jetzt den Fluß einatmen.
    Sie ließ ihn los, weil sie hoffte, daß die Atemnot ihn endlich zu sich bringen würde, daß er hustend und spuckend und spritzend von seinem Sitz hochspringen würde, aber auch, weil ihr die Energie fehlte, noch weiter um ihn zu kämpfen. Ihre eigenen Kräfte ließen im eisigen Wasser rasch nach. Mit erschreckender Schnelligkeit wurden ihre Glieder taub. Die von ihr ausgeatmete Luft schien genauso kalt zu sein wie die eingeatmete, als hätte ihr Körper überhaupt keine Wärme mehr abzugeben.
    Der Wagen bewegte sich nicht mehr. Er ruhte jetzt auf dem Grund des Flusses, mit Wasser gefüllt und von dessen Gewicht in die Tiefe gezogen, nur dicht unter dem Dach gab es noch eine Luftblase. Dorthin preßte Lindsey ihr Gesicht und schnappte verzweifelt nach Luft.
    Sie wimmerte leise vor sich hin, mit den winselnden Lauten eines geängstigten
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