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Das verplante Paradies

Das verplante Paradies

Titel: Das verplante Paradies
Autoren: Peter Tate
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ihrem.
    „Guten Morgen“, sagte er unsicher.
    Julie beobachtete ihn spöttisch. „Der Dichter setzt sich“, sagte sie.
    „Nein. Eigentlich …“
    „Eigentlich bist du mit ihm gegangen, und er hat dir privat noch etwas vorgesungen.“
    „Woher weißt du?“
    „Das war doch von vornherein klar. Ich brauchte dir nicht nachzulaufen.“
    „Was war klar?“
    „Die Art und Weise in der dich dieser bärtige Dichter – faszinierte.“
    „Faszinierte? Was meinst du mit faszinieren?“
    Julie lachte ohne sich zu freuen. „O. K. versuchen wir’s anders. Du bist auf ihn geflogen. Er hat dich regelrecht verführt .“
    „Verführt? Daß ich nicht lache.“
    „Jetzt hör aber auf. Es muß doch einen Grund ge ben, warum ich dir gleichgültig bin.“
    Schweigend suchte Simeon nach einer Erklärung, aber er spürte wie ihm die Situation entglitt.
    „Schau mal …“
    „Ich habe die ganze Nacht zum Nachdenken Zeit gehabt und da habe ich begriffen. Du brauchst nichts zu erklären. Es ist ein biochemischer Zufall. Niemand hat schuld. Sie … du bist zu bedauern …“
    „Halt den Mund!“ Simeon hörte, wie sich seine Stimme vor Wut überschlug, und versuchte sich zu fangen. „Darum geht es überhaupt nicht. Nichts dergleichen ist vorgefallen. Wir haben bloß dagesessen. Wir haben nicht mal geredet …“
    „Liebe auf den ersten Blick.“
    „Hör mal, Julie. Ich weiß, du hast keinen Grund mir dankbar zu sein, aber laß mich wenigstens erklären. Ich weiß nicht, warum er mich eingeladen hat. Es schien keinen besonderen Grund zu haben …“
    „Simeon“, sagte Julie kalt. „Es hat doch sowieso nie irgendetwas besonderes zwischen uns gegeben. Du brauchst dich nicht zu entschuldigen. Es tut mir leid, daß ich mich so lange aufgedrängt habe.“
    Sie stand auf und ging zur Tür. Simeon machte einen hilflosen Versuch sie aufzuhalten, aber sie schob ihn beiseite.
    „Julie“, sagte er schwach. „Julie, hör mir zu.“
    Aber sie war fort. Und in diesem Augenblick begriff er, was Gogan gewollt hatte.
     
    Am Abend, nach einem Tag vergeblicher Suche, schaukelte Simeon allein. Die Sonne war fort, und ihre letzten Strahlen schwanden vom Himmel. Die Sterne traten mit dem letzten Tageslicht hervor. Im Grunde hätte Simeon irgendwo am Rande des Weltraums sein können. Statt dessen schwebten seine Füße nur wenige Zentimeter über dem Boden, und gelegentlich streiften sie über die Grasbüschel.
    Gogan, dachte er, während ihm bewußt wurde, daß die schwingende Bewegung gewisse Erkenntnisse mit sich brachte. Ein unzufriedener Mensch, der jedermann sein bißchen Glück stehlen möchte.
    Er sieht ein Paar und macht sich daran, sie zu trennen. Er findet ein Lächeln und strengt sich so lange an, bis daraus herabgezogene Mundwinkel werden. Deshalb ist seine Lyrik auch so pessimistisch, deshalb beschäftigt er sich mit dem Bösen und seiner Ödnis.
    Die rostigen Gelenke über ihm quietschten in voller Übereinstimmung.
    Er stieß sich mit den Füßen ab, schwang nach rückwärts und schaukelte sich immer höher hinauf, bis die Bolzen protestierten und sein Magen sich umdrehte, vor Schreck, er könnte plötzlich fallen.
    Er legte die Arme um die Ketten und faltete die Hände. Er ließ sich einfach von der Schaukel tragen.
    Dann Julie. Ihre Unterhaltung am Morgen war kurz und heftig gewesen, und vielleicht war das gut so. Wenn sie es in Ruhe bedachte, fiel ihr vielleicht auf, daß ihre Vermutung völlig zufällig war. Eine Nacht voller Erwartung konnte alle möglichen Täuschungen hervorbringen. Beim nächsten Mal würde sie sich vielleicht entschuldigen.
    Er pendelte sachte über das Gras. Die Nacht war mondlos, aber seine Augen hatten sich an die Dunkelheit gewöhnt.
    Die andere Schaukel hing bewegungslos einige Meter neben ihm. Nichts erinnerte mehr daran, daß er und Julie hier mit den Füßen zum Himmel einige ihrer wenigen glücklichen Momente gehabt hatten.
    Mit einem heftigen Stoß brachte er seine Schaukel wieder in Bewegung und schloß die Augen. Er hoffte, daß der Wind die Gedanken an Julie vertreiben würde.
    Und es wirkte.
    In seiner herrlichen, quietschenden Wiege dachte er an stürzende Brecher, weit entfernt vom schwächlichen Plätschern unten am Strand. Sein Geist erhob sich in die Bäume und hielt sich an Blättersegeln, als er über der schwankenden Erde schaukelte.
    Er war ein Kind auf einem großen schwarzen, traurigen Vogel, der nach der Sonne weinte, während er ihm wunderbare Länder zeigte, die sich in
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