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Das verplante Paradies

Das verplante Paradies

Titel: Das verplante Paradies
Autoren: Peter Tate
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sagte Gogan. „Über diese Kinder, die auf einer einsamen Insel gestrandet waren, während irgendeines Krieges. Sie fanden so eine Muschel wie diese“ – er öffnete die Hand, damit Simeon die Muschel besser betrachten konnte – „und machten aus, daß immer derjenige reden durfte, der die Muschel hatte. Aber es funktionierte nicht lan ge. Dieses Ding da – nun, es macht mich zu einer Art Sprecher. Vangoj und die anderen glauben das jedenfalls … Vangoj, du meine Güte, was für ein komischer Name … Der ist Maler gewesen. Er hörte damit auf, als ich … Er hörte wegen mir damit auf.
    Jedenfalls, diese Muschel … Ich glaube, es hängt damit zusammen, daß sie mich daran erinnert, wie die kalifornische Küste mal gewesen ist. Eine schroffe Kü ste, Künstlerkolonien, Strände, wo man nackt baden konnte und niemand zuschaute. Eine Küste, wo man machen konnte, was man wollte. Eine Küste, wo man am MEER war und nicht bloß irgendeine seelenlose Soße neben einem über den Strand plätscherte … schlllppp … sorry … schlllppp … sorry … schlllppp … sorry …“
    Gogan unterbrach sich. Er nahm einen langen Zug aus der Flasche, dann hob er die Muschel auf und hielt sie in beiden Händen.
    „Die nachtkalte Flut mit den Zehen umspannen“, sagte er.
     
    „Vergeblich die Hände strecken
    nach dem flüchtigen Strudel der Schwimmer
    Er scheint sich kaum zu bewegen
    Aber schließlich geht er doch!
    Er findet dort Wärme –
    Die allzu vertraute Wärme
    Wenn Muscheln wandern möchten
    Und Embryos sich entscheiden,
    Im Trockenen über dem Wasser zu atmen.
    Dort kämpft er gegen die Wellenjahre,
    Im fremden grünen Leib zuhause.
    Er krümmt sich – das Meer auf Nabelhöhe –
    Im Kampf gegen Nichtgeburt.“
     
    Diesmal überprüfte Simeon die Gestalt der Verse. Sie erschienen ihm lautmalerisch – anders als die Verse, die Gogan im Zentrum vorgetragen hatte. Ein Stilwechsel, wenn Dichter ihren Stil überhaupt wechseln konnten.
     
    „Doch spürt er Schuppen auf der Haut,
    Die Donnerechse ist sein Bruder,
    Und alle stummen Krustentiere
    Sind nur Architekten im Sand.
    Doch ist es leicht, die Lunge nur mit Luft zu füllen.
    Sag einmal JETZT! zu dieser ganzen Sphäre –
    Und drinnen ist wieder draußen –“
     
    Von den Holztischen kam Applaus. Vangoj hatte den Kopf gehoben, als er die Stimme seines Herrn vernahm.
    „Mann“, rief er, „ist das nicht das Größte? Ist er nicht ein phantastisches Sprachrohr?“
    „Man kann es so nennen“, sagte Simeon.
    Gogan hatte die Muschel erhoben und streichelte sie mit seinen Lippen. „Du bist gekommen, um mir irgendetwas über das Meer zu erzählen. Hast du irgendeinen Plan?“
    „Könnte sein“, sagte Simeon. „Ich muß darüber nachdenken – aber es gibt bestimmt einen Weg, um diese Gewässer wieder abzukühlen und ein paar Wellen zu machen. Da bin ich ganz sicher.“
    „Wie?“
    „Laß mir ein, zwei Tage Zeit. Dieser Zustand wird künstlich hergestellt. Es handelt sich darum, die Hersteller außer Betrieb zu setzen. Wenn ich die Details ausgearbeitet habe, komme ich wieder und erzähls dir.“
    „Versuch ein bißchen Nebel“, rief Gogan ihm nach, als er die Treppen hinunterging. „Denk dir Regen.“
    Aber Simeon dachte ohnehin die ganze Zeit Regen, während er zum Autoshelf hinunterging und die Sonne wie ein Golddollar am stählernen Himmel hing.
    Seit zwei Tagen versteckte sich Julie. Sie ging zu den ungewöhnlichsten Zeiten durch die Korridore des Scootels, immer aber – ob drinnen oder draußen – weg von Simeon. Schließlich erwischte er sie vor dem Spiegel ihres Zimmers, als sie sich zum Ausgehen schön machte. Seinen Stolz hatte er hinuntergeschluckt, bis er fast erstickte.
    „Du weißt genau, daß es nicht stimmt, was du denkst“, sagte er. Sie setzte ihr Make-up fort.
    Er setzte sich auf die Bettkante und überlegte, wo er ansetzen sollte. Er wollte, daß sie ihm glauben sollte, aber dann blieb die Frage, warum er das eigentlich wollte. Brauchte er ihre Zuneigung? Aus irgendeinem Grunde fiel das wohl kaum ins Gewicht. Ich will eben nicht für schwul gehalten werden, dachte Simeon und beließ es dabei.
    „Was soll ich tun, um es dir zu beweisen?“ fragte er.
    Julie streichelte ihr Haar und prüfte ihre Augen im Spiegel. „Was ist? Bekomme ich keine Antwort?“
    „Das ist dein Problem. Mich geht das nichts an.“
    Sie hatte ihn die ganze Zeit noch nicht angesehen. Weder direkt noch im Spiegel.
    „Du willst mir die Sache wohl kein
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