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Das verplante Paradies

Das verplante Paradies

Titel: Das verplante Paradies
Autoren: Peter Tate
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horizontalen Gestellen herab. Am Ende der Ketten befanden sich hölzerne …
    „Sitze?“ fragte Simeon.
    „Die richtige Höhe haben sie“, sagte Julie. Sie fuhr mit der Hand über einen der beiden Sitze. „Sie schei nen vom regelmäßigen Gebrauch geglättet zu sein.“
    Sie setzte sich auf einen der Sitze. Die Ketten protestierten kreischend, aber sie hielten. Sie hob die Füße vom Boden. Der Sitz begann sachte zu schaukeln. Sie packte die Ketten und warf sich zurück.
    „Es beruht auf dem Pendelprinzip“, sagte Simeon. „Meinst du, ich könnte …“ .
    „Versuchs doch“, sagte Julie. „Wen kümmerts, ob du eine kaputt machst?“
    Er setzte sich und begann ebenfalls zu schaukeln. Er warf sich zurück. Ein kindischer Instinkt ließ ihn in die Beine ausstrecken, als er nach vorn kam, und auf diese Weise erhielt er mehr Schwung.
    Die rostigen Gelenke über ihnen kreischten wie Möwen, die plötzlich geweckt werden und Angst vor der Sonne haben. „Weißt du was?“ rief er. Mal war er über ihr, mal unter ihr, ehe sie antwortete: „Was?“
    Und dann wollte er nichts mehr sagen. „Wieso? Ha be ich dich was gefragt?“
     
    Hinter der Promenade, abseits des Lärms, gab es eine hübsche, schalldichte Menagerie, in der sich Tänzer und Sänger versammelten, um ihre Botschaft vorzutragen.
    Und hier gab es auch immer Leute, die jemanden als Talent zu würdigen wußten, nur weil er zu eigenartig und schwierig war, um für irgendetwas anderes gehalten zu werden. Diese Leute hatten auch Geld, um nur auf Verdacht dafür zu zahlen, daß man ihnen etwas bot.
    Vom Geld dieser Leute bestritt Gogan seinen Lebensunterhalt. Seine Freunde waren möglicherweise gute Bewunderer, aber Geld hatten sie nicht.
    Jede Nacht ging Gogan in die Lyrik-Zone und bot sich den offenen Mündern dar, mit einem Megaphon in der einen und seiner Muschel in der anderen Hand. Auch heute war er wieder da. Er begann mit seinem Gedicht, während ein messianisches Scheinwerferlicht seinen Kopf umspielte. „Geschrieben in einer Ecke von Playa 9“, sagte er. „In meinem Kopf geschrieben, heißt das.“
    Das Publikum applaudierte pflichtschuldigst und wartete.
     
    „Die Wahrheit ließ den Menschen stolpern
    Und auf seinem Weg verharren“, begann Gogan.
     
    „Aber die Leute werden schlauer
    Und sie wissen …“
     
    Die Menge wurde unruhig, sie suchte einen klaren Hinweis auf einen frühen Genius.
    Bislang gab es nur eine gewisse Geschicklichkeit mit Worten und Spontaneität.
     
    „… daß Lügen eine Wahrheit zeugen.
    Diese Wahrheit lern ich noch.
    Denn bisher hielt ich sie für unbedeutend.
    Ich kratzte und krabbelte und betete nach Bedeutung.
    Das war nicht bloß ein Geschäft für die Zunge.
    Da waren auch Rechnungen zu zahlen.
    Tod und Teufel preisend
    Wetterte ich mit ihnen um eine Sprache …“
     
    Simeon und Julie, die dabei waren, die Rückseite von Playa 9 zu erforschen, während sie immer noch von ihrem gemeinsamen Erlebnis erfüllt waren, erschienen plötzlich auf der Szene, durch die Lautsprecher angezogen, die sie durch die verlassenen Skulptur-, Malerei und Glaszonen zur Lyrik gelockt hatten.
    „Ich habe Unschuld, ich bin ernst“, hörten sie Go gan sagen, als sie sich auf ihre Stühle niederließen.
     
    „Ich habe einen Schalter, um die Amateurphiloso phie auszuknipsen.
    Und außerdem: Meine Ansichten sind flüssig,
    Austauschbar wie Wasser im Aquarium.
    Ich bin der, der das Geheimnis dieser Welt kennt.
    So sitze ich wie das Denkmal an den Champs Elysees
    Und stöhne, Verantwortung.
    Ich habe die Wahrheit, aber wem soll sich sie sagen?
    Wer die Welt liebt, haßt mich
    Denn das Geheimnis der Welt ist
    Haß für die Liebenden.
    Ich kann nicht träumen.
    Ich kann die Augen nicht schließen
    Denn Tod, der Kumpel der Welt, der wartet
    Auf sein Teil meiner Zunge.
    Die Amateure kann ich abdrehn
    Aber die Profis verfolgen mich.“
     
    Verführt von der unbestimmten Vertrautheit der Worte applaudierte Simeon. Vielleicht hätte er seine Gefühle innerlich genauso geäußert. Er suchte eine tiefere Parallele, fand aber keine, und gab sich damit zufrieden, daß Gogan seine eigenen Probleme ausgedrückt hatte, oder wenigstens einen wichtigen Teil davon.
    Er beobachtete ihn mit neuerwachtem Interesse. Bald kamen wieder die Worte.
    „Mit dem Hintern auf dem Balkongeländer von Gogans Bar geschrieben“, sagte Gogan. „Auf dem Hintern geschrieben. Ich zitiere.“
    Es gab ein paar verlegene Lacher.
    Gogan stellte den Lautsprecher
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